Expertenbeitrag

BeReal – Das Wichtigste über die Social Media-App der Stunde

Mit BeReal scheint am Himmel der sozialen Netzwerke ein neuer Stern aufgegangen zu sein, der insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene erreicht. Die App will einiges anders machen als die Konkurrenz und setzt dabei vor allem auf eines: Realität. Doch wie echt ist das Netzwerk wirklich und welche Potentiale bietet BeReal für die politische Kommunikation?

Bereits der Name der 2020 veröffentlichten Social Media-App lässt keinen Zweifel daran: BeReal will nicht sein wie andere Netzwerke. Die App stilisiert sich bewusst als eine Art Gegenentwurf zu Instagram, das inzwischen vor allem durch perfekt inszenierten Content geprägt ist. Für BeReal und seine Community zählen nicht die sorgfältig kuratierten Momente des Lebens, sondern die unspektakulären und normalen Alltagssituationen.

Wo andere Apps durch ein hohes Maß an Ästhetik und Hochglanzimage eine gewisse Distanz zwischen dem eigenen Leben und dem der anderen schaffen, will BeReal Nähe erzeugen – insbesondere zu den eigenen Freunden. „Your friends for real“ lautet der Slogan der App, „deine Freunde in echt“.

Und genau das kommt an. Laut dem Analyse-Dienst Apptopia hat BeReal im Jahr 2022 ein User-Wachstum von 315 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet.[1] Besonders verbreitet ist das Netzwerk in den USA und Frankreich, doch inzwischen gewinnt die Foto-Plattform auch in Deutschland an Zuspruch und gehört neben Instagram und Tiktok zu den beliebtesten Apps. Das gilt vor allem für die Generation Z, also die zwischen 1997 und 2012 Geborenen.

 

Zwei Minuten Zeit für Realität

BeReal nimmt seiner Community dazu zunächst einmal viel Kontrolle ab. Denn hier bestimmen nicht etwa die Nutzerinnen und Nutzer, wann sie Inhalte mit anderen teilen, sondern die App. Einmal am Tag versendet BeReal eine Push-Benachrichtigung. Ein wesentlicher Spaßfaktor, denn die Uhrzeit, zu der die Meldung versendet wird, variiert täglich.

Im Anschluss haben alle zwei Minuten Zeit, um zwei Bilder ihres aktuellen Umfelds zu posten. Sie werden gleichzeitig mit der Front- und Rückkamera des Smartphones aufgenommen und zu einem zusammengefügt. Später abgesetzte Posts werden mit einem Hinweis versehen. Auch Bearbeitungsmöglichkeiten und Filter gibt es nicht. Beiträge sollen so möglichst spontan und unverfälscht in dem Netzwerk landen. Egal, ob Chips essend auf dem Sofa, beim Schlangestehen im Supermarkt oder beim Warten auf den Bus.

Gepostete Beiträge sind lediglich bis zur nächsten Push-Meldung sichtbar. Hinzu kommt: Nur wer selbst Inhalte veröffentlicht, kann die Fotos anderer sehen. Userinnen und User sind damit quasi gezwungen, die App aktiv zu nutzen. Das vermeidet passiven Konsum. sogenannte „social voyeurs“, und soll innerhalb der Community zu größerem Engagement führen. Je nach Einstellung sind Fotos entweder nur für den eigenen Freundeskreis oder im Discovery-Feed für alle sichtbar. BeReal empfiehlt jedoch, Inhalte nur mit engen Freunden und der Familie zu teilen.

Wer auf die Bilder anderer reagieren will, kann dies über die Kommentarfunktion oder sogenannte „RealMojis“ – ausdrucksstarke Selfies, die die eigene Reaktion auf ein Bild widerspiegeln sollen – tun.

 

Keine Plattform für Influencer?

In erster Linie ist BeReal damit eine Plattform, auf der man Freunde am eigenen Leben teilhaben lassen kann. Ganz im Sinne der französischen Gründer Alexis Barreyat und Kevin Perreau, die Influencer ausdrücklich dazu auffordern, andere Plattformen zu nutzen.

Die App verzichtet – vielleicht auch deswegen – bisher auf Features wie Likes, öffentliche Followerzahlen, Werbung und einen Algorithmus. Auch einen integrierten Messenger gibt es nicht. BeReal erinnert damit an die sozialen Netzwerke der ersten Stunde, spielt es doch mit der Intimität und Leichtigkeit, die Social Media anfangs noch ausgestrahlt hat.

Wer die App als Kanal für die eigene Influencer- oder politische Kommunikation nutzen will, sollte auf das setzen, was vielen anderen sozialen Netzwerken abhandengekommen ist: Authentizität. Ein Blick hinter die Kulissen des Büroalltags, auf dem Weg zu Terminen oder der Spaziergang mit der Familie. Das mag banal klingen, ist jedoch das, was auf BeReal erwartet wird und der Grund, warum die App derzeit so erfolgreich ist.

 

 

Um Glaubwürdigkeit zu bewahren, sollten Fotos im vorgegebenen Zeitfenster gepostet werden. Verspätete Beiträge vermitteln immer den Anschein, dass versucht wird, spannendere Momente abzuwarten. Zudem ist auch regelmäßiger Content wichtig, denn nur so ist es möglich, die Inhalte anderer zu sehen und mit diesen zu interagieren. Hier sollten die wenigen Möglichkeiten, die die Foto-Plattform eröffnet, ausgeschöpft werden. RealMojis bieten eine persönliche Art, auf die Fotos anderer zu reagieren und die Discovery-Page ist eine Chance, Inhalte auch innerhalb einer größeren Community zu platzieren.

 

Bloßer Hype oder ernsthafte Konkurrenz für Instagram & Co.?

Ob BeReal sich auch langfristig in der Welt der Social Media behaupten kann, lässt sich aktuell nicht absehen. Neben Neuheit und Reiz der Push-Meldungen, bietet BeReal insbesondere in Zeiten von Desinformation und Hate Speech ein Umfeld, in dem es auf die Einfachheit des Alltags ankommt. Die Vergänglichkeit der Inhalte und die direkte Verbindung zu anderen haben zudem den Nerv der Zeit getroffen.

Neu ist das Versprechen der App, ein privateres und authentischeres Umfeld zu bieten, allerdings nicht. Bereits andere Netzwerke sind mit ähnlichen Modellen angetreten, aber auch ihre Attraktivität verblasste mit der Zeit. Ein Feature macht eben noch kein Netzwerk. Und wo auf Plattformen wie Instagram schnell das Gefühl von Künstlichkeit und Inszenierung aufkommt, könnte das echte Leben auf BeReal mit der Zeit eintönig werden. Hinzu kommt: BeReal versucht zwar, nachträgliche Bearbeitungen und kuratierte Inhalte zu unterbinden, kann natürlich aber nicht alle Formen der Inszenierung (Stichwort Posing) verhindern.

Letztlich schläft auch die Konkurrenz nicht. Große Player wie Instagram, Tiktok und Twitter beobachten diese Entwicklung genau und setzen bereits auf ähnliche Features. Twitter bietet mit Twitter Circle eine Funktion, die die Zielgruppe von Tweets einschränkt; Tiktok wirbt mit „Tiktok Now“ und Instagram testet laut Berichten aktuell den Prototypen „Instagram Candid Challenge“. Fraglich ist daher, ob BeReal das gleiche Schicksal droht wie beispielsweise Clubhouse, dessen Grundidee ebenfalls schnell von anderen Netzwerken übernommen wurde.

 

[1] https://blog.apptopia.com/social-app-of-the-moment-bereal-grows-users-315-ytd

Über die Autorin

Carolin Hartmann ist Referentin für Politische Kommunikation bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zuvor war sie in der Beratung der Kommunikationsagentur Blumberry und für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft tätig.

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