Expertenbeitrag

Memes im Krieg: Die Freiheit lacht

Memes – sie sind eine Spielart der Internet-Kommunikation, die seit Jahren an Bedeutung gewinnt. Die mit prägnanten Texten versehenen Bilder sind oft beißend ironisch, stark zuspitzend und vor allem leicht verständlich. Sie schaffen Orientierung, verleihen einer kollektiven Stimmung Ausdruck und mobilisieren Gleichgesinnte. Aktuelle Ereignisse werden in Memes verarbeitet und gehen oft viral, weil sie Ausdruck einer kollektiven, gesellschaftlichen Wahrnehmung sind. Aus diesem Grund hat sich auch eine eigene Meme-Kultur im Zuge des Überlebenskampfs der Ukraine gegen die russischen Invasoren entwickelt. Ihr Einfluss auf die Wahrnehmung des Konflikts wird nach wie vor unterschätzt.

Humor in den dunkelsten Tagen

In den vergangenen knapp sieben Monaten seit dem Beginn des russischen Überfalls auf das ukrainische Volk fühlten sich viele Menschen macht- und hilflos. Ein massiv gesteigertes Informationsbedürfnis kam hinzu. Für Ukrainerinnen und Ukrainer und die Unterstützer ihres Freiheitskampfs gab es dabei insbesondere zu Beginn des Kriegs keine zuversichtlich stimmenden Nachrichten. Beim „Doom-Scrolling“ durch die sozialen Netzwerke boten Memes einen Ausweg, indem sie einen humorvollen Zugang zu den düsteren Ereignissen ermöglichten. Die Community, dankbar für den Galgenhumor, entwickelte eine eigene Form der Unterstützung in diesen dunkelsten Zeiten. Die Schöpferinnen und Schöpfer dieser Memes bauten sich mit Meme-Profilen schnell große Gefolgschaften auf und ermöglichten auf diese Weise die gemeinsame Verarbeitung vor allem des Leids, aber auch der kleinen Freuden, die die Zuversicht nährten.

Am 9. März 2022, nur 13 Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs, entstanden die Ukrainian Memes Forces und posteten ihr erstes Meme. Zahllose weitere Memes-Seiten, wie beispielsweise Ukraine Memes for NATO Teens, finden sich mittlerweile bevorzugt auf Twitter und Instagram. Ihre konkrete Wirkung ist noch nicht erforscht. Doch dieses kommunikative Element verbindet sowohl ukrainische als auch westliche Beobachter durch Humor und schafft so einen Zusammenhalt, der die Sprachbarriere überwindet und sich gegen die spaltende russische Propaganda stellt. Offensichtlich gilt: Wer in den dunkelsten Stunden und als klarer Underdog sein Lachen nicht verliert, der wirkt souverän und macht es anderen fast unmöglich, diese tapferen Menschen nicht zu mögen.

Der Humor wird also zur Waffe im Informationskrieg. Das unterstreichen im Übrigen auch die Bilder, die die Staats- und Regierungsoberhäupter der freien Welt bei ihren Treffen verbreiten. Trotz der ernsten Lage der Welt sieht man Biden, Trudeau, Macron & Co. demonstrativ lachen – ein bewusster Kontrast zum harten, kühlen und höchstens gequält lachenden Putin. Die Botschaft: Freiheit und Zuversicht sind stärker und anziehender als Unterdrückung und Völkermord. Die Freiheit lacht – das haben sowohl die gewöhnlichen Internetnutzerinnen und -nutzer als auch ihre höchsten staatlichen Repräsentantinnen und Repräsentanten gemeinsam.

Freigeist vs. staatliche Propaganda

Russland kann an dieser kommunikativen Front nicht mithalten: Staatliche Memes widersprächen fast allem, was Memes erfolgreich macht. Sie setzen einen gewissen Freigeist voraus, der sich humorvoll-kritisch mit der Realität auseinandersetzt und sich nicht von staatlicher Propaganda blenden lässt. Kreativ umgesetzte Memes sind kein Kommunikationsinstrument einer Autokratie, sondern gelten genau wie andere Formen des Humors als Gefahr für autoritäre Staaten. Für die staatliche Autorität besser zu kontrollieren sind eigentlich die in Telegram-Kanälen organisierten russischen Soldaten sowie Militärblogger. Doch die digitale Transparenz hat auch hier eine Kehrseite. Inzwischen dienen diese Kanäle westlichen Beobachtern als Seismographen, die unmittelbar Auskunft über die Stimmung innerhalb der russischen Armee und an der Heimatfront geben. Insbesondere dieser Tage kritisieren extrem rechte Militärblogger die Führung der Armee immer offener und vernichtender.

An der Informationsfront gewinnt die Ukraine

Selbst die gefürchteten russischen Trollfabriken haben mittlerweile einen ernstzunehmenden Gegenspieler: Die NAFO. Die North Atlantic Fella Organization, trollt russische Offizielle und ihrer Handlanger mit Memes und sammelt Geld für die ukrainische Armee. Ihr Erkennungszeichen ist der Shiba Inu, eine japanische Hunderasse, die besondere Beliebtheit unter Meme-Fans genießt. Die Gruppe ist dezentral organisiert, über ihre Größe gibt es keine Angaben. Ihr Einfluss wächst aber, nachdem im Juni ein russischer Botschafter mit der Gruppe auf Konfrontationskurs ging. Unter der wachsenden Aufmerksamkeit der digitalen Öffentlichkeit schoss die NAFO verbal so hart und ausgiebig zurück, dass sich der russische Botschafter für eine Woche gar nicht mehr zu Wort meldete. Anschließend dankte der offizielle Account des ukrainischen Verteidigungsministeriums der NAFO und der ukrainische Verteidigungsminister änderte gar sein Profilbild, um ihre Arbeit anzuerkennen. Schön, wenn am Ende die Freiheit lacht.

Über den Autor

Marcel Schmidt ist Referent für Politische Kommunikation bei der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie Autor und Redakteur im Politsnack.

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