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Alltag und Leben
Einführung
Hammer und Sichel, Ampelmännchen und Pittiplatsch, Blauhemden mit aufgehender Sonne am Ärmel, ein lächelnder Erich Honecker – so feiert die DDR nicht nur im Internet ihre virtuelle Auferstehung. Verunsicherung im Hinblick auf die Zukunft, Vorurteile in Ost wie West, aber auch mit goldenem Pinsel gezeichnete Erinnerungen bleiben nicht ohne Einfluss. Arbeit für alle, Geborgenheit und Solidarität – waren das nicht großartige Werte, die in der DDR verwirklicht waren? Bietet nicht doch manches aus diesem verschwundenen Land eine reizvolle Alternative?
Nach einer Meinungsumfrage 2006 in Ostdeutschland haben 65 Prozent der Befragten überwiegend positive Erfahrungen mit der deutschen Einheit gemacht. Zugleich sahen 60 Prozent an der DDR mehr gute als schlechte Seiten. Da stellt sich die Frage: Weshalb gab es überhaupt die friedliche Revolution von 1989, den Mauerfall und den Weg in die deutsche Einheit, der vielen Enormes abverlangt hat?
Kollektive Arbeit und kollektives Leben standen im Mittelpunkt des sozialistischen Alltags. Jeder war aufgefordert und wurde dazu erzogen, seine „ganze Kraft zur Stärkung des Sozialismus“ einzubringen. Nicht Individualismus und Pluralismus galten als Werte. Anerkannt und belohnt wurde, wer sich „in den Dienst der Sache“ stellte. Wer den Führungsanspruch der Sozialistischen Einheitspartei (SED) sowie ihre Regeln und Ziele akzeptierte, konnte für DDR-Verhältnisse ein relativ normales Leben führen. Zu dieser Normalität gehörten das Recht auf Arbeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, ein bescheidener Wohlstand, Offenheit und Solidarität im Bekanntenkreis. Sie wurde jedoch erkauft mit politischer Anpassung in einer stark ideologisierten Gesellschaft und mit einem Leben, das von der Wiege bis zur Bahre in gelenkten, weitgehend berechenbaren Bahnen verlief.
Nur 30 Prozent der DDR-Bürger identifizierten sich mit dem politischen System, mit der planwirtschaftlichen und sozialen Struktur. Dennoch schöpfte die SED wie jede Diktatur ihre Macht aus der Bereitschaft der Bevölkerung zum Mitmachen oder zumindest aus der Duldung durch die Mehrheit.
Der Preis, den die DDR-Bürger für ihre „Geborgenheit“ im „vormundschaftlichen Staat“ zahlten, war die Einschränkung persönlicher Freiheiten und international geltender Menschenrechte. Wer im Widerspruch zu den staatlichen Interessen Reise- und Meinungsfreiheit oder individuelle Entfaltungsmöglichkeiten einforderte, sah sich einem massiven Anpassungsdruck ausgesetzt, wenn er nicht sogar kriminalisiert wurde.
Nur wer bereit war, sich mit Mangelwirtschaft, Umweltverschmutzung, Überwachungsstaat und Schießbefehl an der Grenze zu arrangieren, oder wer diese Realität für sich verdrängen oder als unabänderlich hinnehmen konnte, für den war es möglich, den Alltag in der geschlossenen Gesellschaft des SED-Staates als weitgehend normal anzusehen.
Der Anspruch, umfassend alle Facetten des Alltags in der DDR zu beleuchten, besteht nicht. Wir wollen vielmehr zur Auseinandersetzung mit der Thematik anregen, die Materialien in den Schulbüchern ergänzen sowie den Interessierten einen schnellen Zugriff auf die wichtigsten Themenfelder ermöglichen.
Quelle: KAS e.V.