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Mythos: „Die DDR war ein antifaschistischer Staat“

Der Antifaschismus gehörte zu den zentralen ideologischen Grundlagen der DDR. Der Politikwissenschaftler Herfried Münckler bezeichnet den Antifaschismus allerdings als Gründungsmythos. Die SED versuchte, ihre diktatorische Herrschaft zu legitimieren, indem sie sich zur Erbin des antifaschistischen Widerstandes erklärte.

Antifaschismus quasi als Kollektivamnestie

NS-Amtsträger mit einer nationalsozialistischen Vergangenheit wurden in der Regel aus wichtigen Positionen in Staat und Gesellschaft entfernt und teilweise juristisch verfolgt. Dagegen entlasteten die Kommunisten die restliche Bevölkerung und erklärten sie zu „Siegern der Geschichte“. Die eigentliche Verantwortung für die NS-Verbrechen trugen aus Sicht der SED eine kleine Gruppe überzeugter Nazis und ihre „monopolkapitalistischen Hintermänner“. Mit dem antifaschistischen Gründungsmythos war also quasi eine Kollektivamnestie verbunden, da es „Monopolkapitalisten“ nur noch in der Bundesrepublik gab. Die Bürgerinnen und Bürger der DDR traf demnach keine Schuld. Folgerichtig lehnte die SED auch Entschädigungszahlungen für nicht rückkehrwillige Juden rigoros ab. "Das NS-Erbe wurde zum Problem der Westdeutschen. Hitler war gleichsam ein Westdeutscher geworden”, so der Historiker Bernd Faulenbach.

Instrumentalisierung des antifaschistischen Gründungsmythos

Der antifaschistische Gründungsmythos war damit laut Münckler sowohl eine Integrations- als auch eine Exklusionserzählung. „Faschist“ wandelte sich zu einem willkürlich verwendbaren Vernichtungsbegriff, der sich nicht zuletzt gegen die bürgerliche Opposition und zur Unterwerfung der Sozialdemokratie einsetzen ließ. Die Gründung der DDR galt in der staatseigenen Historie als „Wendepunkt der deutschen Geschichte“, eine Formel mit geradezu sakral-beschwörendem Charakter.


Die NS-Vergangenheit wurde in der ideologischen Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik vielfältig instrumentalisiert. Im Kampf gegen den westdeutschen Klassenfeind schreckte die SED selbst vor der Verwendung gefälschter Dokumente nicht zurück – so im Fall von Heinrich Lübke, von 1959 – 1969 Bundespräsident, der als „KZ-Baumeister“ diffamiert wurde. Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit verschickte auch „unter falscher Flagge“ Drohbriefe an westdeutsche Juden, um das Anwachsen neonazistischer Gruppen in der Bundesrepublik zu belegen.

Antifaschismus als ideologisches Konstrukt

Der Antifaschismus war vor allem ein ideologisches Konstrukt. Dieses bezog sich nicht auf den Nationalsozialismus, sondern auf die klassische Formel des bulgarischen Kommunisten Georgi Dimitroff vom Faschismus als „offen terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Anti-Faschismus war im Kern also Anti-Kapitalismus. Der Faschismus würde zwangsläufig verschwinden, wenn alle kapitalistischen Strukturen beseitigt wären.

Die zunächst von der sowjetischen Besatzungsmacht unter immer stärkerer Einbeziehung ostdeutscher Kommunisten durchgeführte Entnazifizierung ging über einen bloßen Elitenaustausch hinaus. Es handelte sich um politische Säuberungen zum Aufbau bzw. später zur Festigung einer neuen Diktatur. Auch nach der Entnazifizierung dienten beispielsweise in allen bewaffneten Organen der DDR (mit Ausnahme des MfS) ehemalige Wehrmachtsoffiziere und sogar -generäle. Voraussetzung für eine Karriere ehemaliger Nationalsozialisten war aber hier - wie in anderen DDR-Institutionen - immer ein vorbehaltloses Bekenntnis zur Politik des neuen Staates.

Antifaschismus als Rechtfertigungsideologie

Die Antifaschismuskampagnen der SED wurden von den DDR-„Eliten“ - insbesondere aus der Intelligenz - als Rechtfertigungsideologie weithin akzeptiert. Kritische Stimmen waren zumindest öffentlich kaum zu vernehmen. Der evangelische Bischof Hans-Joachim Fränkel (Görlitz) war in der NS-Zeit ein Aktivist der Bekennenden Kirche gewesen. 1973 wies er darauf hin, dass die Antifaschismus-Ideologie der SED vor allem der Verschleierung eigener Menschenrechtsverletzungen diene. Daraufhin galt er auch vielen Protestanten als „kalter Krieger“.