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Katholische Kirche in der DDR

Die katholische Kirche auf dem Gebiet der DDR befand sich seit der Reformation in einer Diasporasituation. Ausnahmen bildeten die bis heute katholisch geprägten Gebiete des Eichsfeldes, der thüringischen Rhön und der sorbischen Oberlausitz.

Infolge des Zweiten Weltkrieges kamen zu den ca. eine Million Katholiken in diesem Bereich 1,5 Millionen katholische Flüchtlinge und Vertriebene hinzu. Diesem Anwachsen war man zunächst kaum gewachsen. Unter schwierigsten Bedingungen wurden seelsorgliche und strukturelle Lösungen gesucht. So entstanden beispielsweise zahlreiche neue Gemeinden und Seelsorgestationen. Bis heute gilt, dass die katholische Kirche in Mitteldeutschland entscheidend von Flüchtlingen geprägt ist.

Erschwert wurde die Situation noch dadurch, dass außer den Bistümern Berlin und Meißen (bzw. Bautzen) kein Bischofssitz in der SBZ bzw. DDR lag. Jegliche Verbindung mit den Mutterdiözesen in den westlichen Besatzungszonen bzw. später in der Bundesrepublik wurde zunehmend erschwert. Da die westdeutschen Bischöfe kaum mehr in die DDR einreisen durften, suchte man nach kirchenrechtlichen Lösungen, um Pastoral und Verwaltung aufrechtzuerhalten. So erhielten die kirchlichen Verantwortlichen in der SBZ bzw. DDR schrittweise von ihren Diözesanbischöfen jurisdiktionelle Vollmachten und wurden zu deren Weihbischöfen berufen.

Abb.: Katholikentreffen in Dresden (1987, © Bundesarchiv, Bild 183-1987-0710-035 / Hiekel, Matthias / CC-BY-SA 3.0)

Die schwierige kirchenpolitische Lage erforderte zudem eine zentrale Kirchenführung, sodass der Vatikan 1950 eine „Berliner Ordinarienkonferenz“ als Regionalkonferenz der „Fuldaer Bischofskonferenz“ errichtete. Infolge der Bestrebungen, die katholische Kirche in der DDR zu verselbständigen und die Jurisdiktionsgebiete der politischen Grenze anzupassen, wurden 1973 die Weihbischöfe zu Apostolischen Administratoren ernannt und 1976 die „Berliner Bischofskonferenz“ konstituiert. Zu der von den staatlichen Stellen intendierten Abtrennung von der Kirche der Bundesrepublik kam es jedoch nicht.

Die seelsorgliche Entwicklung der katholischen Kirche in der DDR gestaltete sich anders als in der Bundesrepublik. Notwendig war, die Gläubigen in der atheistisch und materialistisch geprägten Gesellschaft zu schützen und zu stärken sowie ideologische Freiräume zu schaffen. Unter den gegebenen Umständen bildete man eigene Formen der Pastoral aus, die immer auf die Gemeinden zentriert blieben. Da der Religionsunterricht seit Beginn der 1950er Jahre aus den Schulen verdrängt worden war, nutzte man u. a. Katechesen in den Gemeinden und „religiöse Kinderwochen“ zur religiösen Erziehung der Kinder. Der staatlichen Monopolisierung des Bildungswesens wurden vielfältige kirchliche Angebote entgegengesetzt, die über die reine Vermittlung theologischer Inhalte hinausgingen.

Gesellschaftliche Präsenz konnte die Kirche nur im Rahmen der staatlich erlaubten Aktivitäten erreichen. So wurden die kirchlich-karitative Tätigkeit in Krankenhäusern, Heimen und Kindergärten und der Einsatz für Randgruppen der Gesellschaft zum christlichen Zeugnis in materialistischer Umwelt.

Die katholische Kirche befand sich in der DDR in einer doppelten Diasporasituation. Zum einen stellte sie konfessionell betrachtet nur eine Minderheit dar. Zum anderen lebten beide großen Konfessionen in einer ideologischen Diaspora, was zu Solidarisierungseffekten führte. Man war um ein Miteinander bemüht, und gelebte Ökumene spielte eine wichtige Rolle. In vielen aktuellen pastoralen und kirchenpolitischen Fragen stimmte man sich ab und betonte mehr die Gemeinsamkeiten als die Verschiedenheit.

Der Gegensatz zur herrschenden Ideologie war eindeutig, und zahlreiche kirchenfeindliche Maßnahmen wie die Observierung der Kirche auf allen Ebenen waren stets präsent. Das Verhältnis von Kirche und Staat war durch Distanz gekennzeichnet. Dabei strebte man nicht Opposition gegen das politische System an, sondern Resistenz gegen die Ideologie. Gleichwohl war ein Modus Vivendi mit Regierung und Partei unerlässlich, um das kirchliche Leben nicht gänzlich der staatlichen Willkür preiszugeben. Geregelt wurden deshalb die Kommunikationswege. Wiederholt wurde fixiert, wer mit welchem Ziel im Auftrag der Kirche mit staatlichen Stellen Gespräche führen durfte. Prägend wurde dabei der Berliner Kardinal Alfred Bengsch, dessen Ziel die innere und äußere Geschlossenheit der katholischen Kirche war. Versuche seitens des Staates und der Sicherheitsorgane, einen Keil in die Kirche zu treiben oder sie zu instrumentalisieren, blieben deshalb in den meisten Fällen erfolglos.

Nach dem Mauerbau 1961 drohte zunächst die Isolation – in menschlicher und auch in kirchlicher Hinsicht. Vor allem die Beteiligung der DDR-Bischöfe am Zweiten Vatikanischen Konzil und vielfältige Kontakte zur Weltkirche verhinderten jedoch ein kirchliches Ghetto. Die Verbindung zur Kirche in der Bundesrepublik spielte dabei natürlich eine besondere Rolle – in einer großherzigen Offenheit, die sich nicht auf die finanzielle und materielle Hilfe beschränkte, die das Leben der kleinen Diasporakirche zu stabilisieren vermochte.

Quelle: KAS e.V.