- Adenauer Campus
- DDR-Tutorium
- Religion und Kirche
- Die Zeugen Jehovas in der DDR
Die Zeugen Jehovas in der DDR
Beispiel für Verfolgung und Repression von Religionsgemeinschaften
Die Zeugen Jehovas bildeten mit 21.000 Mitgliedern (1950) in der DDR nur eine kleine Religionsgemeinschaft und sind nicht mit den beiden großen Konfessionen vergleichbar. Dennoch waren sie in der DDR erheblichen Repressionen und Verfolgungen ausgesetzt.
Von Magdeburg aus gelang den Zeugen Jehovas nach Kriegsende der Wiederaufbau ihrer durch die Verfolgungen unter der nationalsozialistischen Diktatur zerstörten Organisationsstruktur. War ihnen 1945 die Ausübung „gottesdienstlicher Betätigungen“ gestattet worden, kam es bereits 1946 zu ersten kurzfristigen und lokal beschränkten Verboten und Verhaftungen. 1948 ordnete die SED die zentrale Überwachung der Zeugen Jehovas an. Einem 1949 verabschiedeten Zehn-Punkte-Plan über Maßnahmen gegen diese Religionsgemeinschaft folgten 1950 Pressekampagnen und erste Verhaftungen, am 31. August dann das Verbot der Glaubensgemeinschaft und zahlreiche Schauprozesse mit hohen, teilweise lebenslangen Gefängnisstrafen. Aus den zunächst als „Opfer des Faschismus“ anerkannten Zeugen Jehovas – die Aberkennung dieses Status erfolgte 1950 – waren Staatsfeinde geworden. Ihre Tätigkeit setzten sie im Untergrund und streng konspirativ fort.
Die Zeugen Jehovas erkennen keine Autorität außer der göttlichen an. Aufgrund ihres Glaubens verweigert sich die Religionsgemeinschaft in jeder Staatsform jeglicher gesellschaftlichen Beteiligung, was die Ablehnung der Mitgliedschaft in Parteien und politischen Organisationen ebenso einschließt wie den Verzicht auf die Ausübung des Wahlrechts und die Verweigerung des Militärdienstes. In einem totalitären System, das auf die Vereinnahmung seiner Bürger in allen Lebensbereichen zielte, musste eine Religionsgruppe, deren Glaubensgrundsätze eine strenge politische Abstinenz vorsehen, zwangsläufig als staatsfeindlich eingeschätzt werden. Ihre Tätigkeit wurde als „politisch-ideologische Diversion“ gewertet.
Die Zeugen Jehovas sahen sich keinesfalls als oppositionelle Gruppe, sie wurden jedoch von der Partei- und Staatsführung als solche gesehen, da diese das Monopol in weltanschaulichen Fragen für sich beanspruchte. Die offizielle Propaganda bezeichnete die Zeugen Jehovas daher als eine „verbrecherische Organisation im Solde der amerikanischen Kriegsbrandstifter“, als den „antikommunistischen Stoßtrupp des amerikanischen Imperialismus“.
Der ersten Phase der massiven Verfolgung bis zum Mauerbau – bis 1961 wurden 2.250 Zeugen Jehovas zu Haftstrafen verurteilt – folgte ein subtileres Vorgehen des MfS. Da die Verhaftungen nicht die erhoffte abschreckende Wirkung hatten, sondern Märtyrer schufen, versuchte man die Zeugen Jehovas durch Verunsicherung und Zersetzung von innen heraus zu treffen, hatte aber damit aufgrund ihrer starken Abschottung nur partiell Erfolg.
Auch wenn die offene Verfolgung abnahm, blieben die Zeugen Jehovas doch sozial und gesellschaftlich ausgegrenzt und isoliert. Sie standen bis zum Ende der DDR weiterhin unter intensiver Überwachung durch das MfS und lebten in ständiger Furcht vor staatlicher Repression. Hart traf es Kinder und Jugendliche, die schon in der Schule zu Außenseitern wurden. Der Besuch einer weiterführenden Schule war unmöglich, da sie das dafür notwendige „gesellschaftliche Engagement“ nicht vorweisen konnten. Teilweise konnte nicht einmal die Ausbildung abgeschlossen werden, da die Verweigerung der Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung zum Verlust der Lehrstelle führte.