Bundesarchiv, Bild 183-1987-0704-057 / CC-BY-SA 3.0

Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDUD)

Die Gründung der Union in Berlin und der SBZ

Überlebende des Widerstandes, der christlichen Gewerkschaften, aus dem Liberalismus, dem Zentrum und der Bekennenden Kirche berieten nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Frühjahr 1945 im zerstörten Berlin die Gründung einer überkonfessionellen Partei. Führend war neben dem vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten ehemaligen Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Andreas Hermes, auch der zum Umfeld des 20. Juli gehörende Gewerkschafter Jakob Kaiser. Die Beratungen in Berlin – einem der „Gründungskerne“ der Union (Hans-Otto Kleinmann) – waren nicht im regionalen oder zonalen Rahmen gedacht, sondern als Keimzelle einer zukünftigen reichsweiten Partei. Die Möglichkeit zur politischen Arbeit bot sich überraschend schnell, da die sowjetische Besatzungsmacht schon am 10. Juni 1945 die Gründung „antifaschistischer“ Parteien erlaubte. Zumindest die KPD rechnete allerdings mit einer Wiedergründung des Zentrums, wie ihr Aufruf vom 11. Juni 1945 zeigte.

Die konfessionellen und sozialstrukturellen Voraussetzungen für die Gründung einer christlichen Partei in der Sowjetischen Besatzungszone waren schwierig: Mitte 1945 hielten sich schätzungsweise vier Millionen Vertriebene, Flüchtlinge und Bombenevakuierte auf dem Gebiet der SBZ auf, die meisten davon waren auf dem Weg in die Westzonen. Konfessionell war das Gebiet der späteren SBZ 1939 noch zu etwa 90% protestantisch geprägt, einen nennenswerten Anstieg der Katholiken gab es durch die kriegsbedingten Wanderungsbewegungen auf 12,2% der Bevölkerung im Jahr 1946. Dies war insofern bedeutsam, als in der ersten Phase der Unionsgründung die Initiative vielerorts von ehemaligen Zentrumsmitgliedern ausging.

Die CDUD als demokratischer Gegenspieler von SED und SMAD 1945-1947

Erster Vorsitzender der CDUD in der SBZ wurde deshalb das frühere Zentrumsmitglied Andreas Hermes, sein Stellvertreter der Protestant Walther Schreiber. Hermes geriet schon bald mit der Besatzungsmacht über die im Sommer 1945 dekretierte entschädigungslose Enteignung von Großgrundbesitz in Konflikt. Sein Widerstand gegen die sowjetischen Vorgaben und auch gegen die Abtrennung der ehemaligen deutschen Ostgebiete führten zu seiner Ablösung als CDUD-Vorsitzender im Dezember 1945.

Der Nachfolger Jakob Kaiser akzentuierte die Programmatik der Union in der SBZ in Richtung des "Sozialismus aus christlicher Verantwortung". Die inhaltlich nicht völlig klar definierte Bezeichnung umschrieb eine Orientierung an der katholischen Soziallehre. Der „christliche Sozialismus“ erwies sich als wirksame Waffe in der Auseinandersetzung mit der Anfang 1946 gegründeten SED und der sowjetischen Besatzungsmacht, die sich ideologisch auf eine Partei einstellen mussten, die den Sozialismus-Begriff ebenfalls für sich reklamierte. Außerdem betonte Kaiser die Vermittlungsfunktion der CDUD zwischen Ost und West: „Wir haben Brücke zu sein“.

Abb.: Flagge der Christlich Demokratischen Union (Ost), DDR bis 1990 (2010, ©Fornax / Public domain)

Bei den noch halbwegs freien Gemeinde-, Kreis- und Landtagswahlen im Herbst 1946 konnte die Union in der SBZ zwischen 10% und 25% der Stimmen auf sich vereinen. Dies war weniger, als sie selbst erwartet hatte, aber respektabel angesichts der andauernden Behinderung durch die sowjetischen Militärmacht. Die CDUD vermutete in einer internen Wahlanalyse, dass etlichen Wählern aus dem bürgerlichen Lager der "christliche Sozialismus" suspekt gewesen sei.

Der Wahlerfolg und seine unumstrittene Führungsrolle in der ostzonalen Union gaben Kaiser den nötigen Rückhalt, um 1946/47 in vielen Punkten der SED-Politik die Zustimmung zu verweigern. Sein gesamtdeutscher Führungsanspruch ebenso wie die Vorstellungen des "christlichen Sozialismus" fanden allerdings in den westdeutschen CDU-Gliederungen keine Mehrheit. Als Kaiser im Spätherbst 1947 die Mitarbeit beim "Deutschen Volkskongreß", einem von der SED initiierten Delegiertenparlament, verweigerte, wurde er von der SMAD abgesetzt. Da er um seine persönliche Sicherheit fürchten musste, wich er in die Westsektoren Berlins aus. In den folgenden Monaten kam es zu einer tiefgreifenden politischen Säuberung in der ostdeutschen CDU, die über Mandatsentzug bis zur Verhaftung und Verurteilung durch ein sowjetisches Militärtribunal reichen konnte. Von den 35 Unterzeichnern des Berliner Gründungsaufrufs befanden sich 1950 nur noch zwei in der DDR.

Illusionen in der Parteiführung: Nuschke und Dertinger

Machtpolitisch geriet die CDUD ins Hintertreffen, als SED und SMAD die Gründung der „Demokratischen Bauernpartei Deutschlands“ (DBD) 1948 durchsetzten. Ziel der Kommunisten war es, durch die Etablierung dieser Klientelpartei den Rückhalt der Union in den ländlichen Gebieten zu schwächen. Wenn auch innerhalb der DBD bei einzelnen Mitgliedern auf unterer Ebene durchaus eigene politische Initiativen nachweisbar sind, so blieb sie doch in erster Linie der verlängerte Arm der SED.

Neuer Parteivorsitzender wurde nach Kaisers Absetzung das ehemalige Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei, Otto Nuschke. Nuschke, nach der Gründung der DDR 1949 Stellvertretender Ministerpräsident, konzentrierte sich auf die Kirchenpolitik und versuchte dort im Rahmen seiner Möglichkeiten für die Kirchen und in Einzelfällen bei Verhaftungen helfend tätig zu werden. Die Partei wurde in dieser Phase maßgeblich von Georg Dertinger gelenkt. Dertinger, der erste Außenminister der DDR, hegte aufgrund seiner guten Kontakte zur sowjetischen Besatzungsmacht Illusionen über seinen politischen Spielraum. Er versuchte, über eine forcierte Wiedervereinigungspolitik der Eingliederung der DDR in den sowjetischen Machtbereich entgegenzuwirken. Schon im Vorfeld der DDR-Gründung hatte er sich bemüht, Kontakte zwischen dem Parlamentarischen Rat und dem „Volkskongreß“ anzubahnen. Die Ablehnung der Stalin-Note im März 1952 bedeutete das Scheitern dieses Konzepts. Obwohl er noch auf dem 6. Parteitag der CDUD im Oktober 1952 die „führende Rolle“ der SED anerkannte, wurde er im Januar 1953 verhaftet und später zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Dertinger und Nuschke sind demnach wohl weniger einseitig negativ zu bewerten, als dies die zeitgenössische bundesdeutsche Publizistik tat. Dennoch trugen beide eine maßgebliche Verantwortung für die Gleichschaltung der CDUD.

Abb.: Dresden, 15. CDU-Parteitag, Eröffnung (1982, © Bundesarchiv, Bild 183-1982-1013-101 / Reiche, Hartmut / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE)

Die CDUD unter Gerald Götting

Nach dem Sturz Dertingers wurde Gerald Götting die eigentlich beherrschende Figur der Partei. Götting, der als rücksichtsloser Opportunist beschrieben wird, ordnete als Generalsekretär (1949-66) und Parteivorsitzender (1966-89) die Partei völlig der Linie der SED unter. Der Rückzug eines Großteils der Parteimitglieder der ersten Stunde - bereits 1950 hatte die CDUD etwa 25% ihrer ursprünglichen Mitglieder verloren - wurde teilweise durch die Bestellung von hauptamtlichen Parteifunktionären ausgeglichen, die natürlich ganz anders an die Vorgaben der Parteiführung gebunden waren. Der Anspruch auf wesentliche Mitgestaltung in der Politik wurde aufgegeben, man sah sich selbst als Transmissionsriemen der Staatspartei. Ein ausuferndes Berichts- und Kontrollwesen sowie ausgedehnte, in der Mitgliedschaft unbeliebte Parteischulungen sollten die Durchsetzung der Parteilinie sicherstellen. Die Folgen der Gleichschaltung der Partei zeigten sich auch in der Entwicklung der Mitgliedschaft: Sie sank von 218.000 Parteimitgliedern 1948 auf nur noch 135.000 im Jahre 1989.

Neuere Forschungen belegen, dass die CDUD in der DDR seit Anfang der 1950er Jahre zunehmend zum Ausspähungsobjekt für das MfS wurde. Dabei ergänzte die Informationsbeschaffung mit geheimdienstlichen Mitteln die offene Kontrolle durch die SED, die auf allen Ebenen jeweils Informationsberichte der entsprechenden CDU-Mitarbeiter erhielt. Auch relativ unwesentliche Personalentscheidungen wie etwa die Einstellung von Kreissekretären unterlagen damit der Zustimmung der Kommunisten.

In West-Berlin und der Bundesrepublik sammelte die Exil-CDU, die aus Jakob Kaisers Berliner Büro hervorgegangen war, Informationen über oppositionelle Aktivitäten in der CDUD. Relativ schnell stieß diese Tätigkeit jedoch angesichts der deutlich zunehmenden Repression des MfS an ihre Grenzen.

Politische Eigenständigkeit zeigte die CDUD unter der Ägide Götting nicht; auch die Verweigerung der Zustimmung von 14 der 22 Abgeordneten der Volkskammerfraktion der Partei zum Abtreibungsgesetz 1972 bedeutete keinen politischen Widerstand, sondern war angesichts der Stimmenverhältnisse bedeutungslos. Unterhalb der Funktionärsebene hat der "Eigensinn" (Manfred Agethen) vieler Mitglieder jedoch in den Augen von Parteiführung und SED ein Problem dargestellt, wie die dichte Überwachung nahelegt.

Die der CDUD im politischen System der DDR zugedachte Rolle, das Verhältnis zu den Kirchen zu stabilisieren und Christen in den Sozialismus einzubinden, erfüllte die Partei seit den 1950er Jahren immer weniger. In der katholischen Kirche in der SBZ/DDR gab es seit dem Sturz Kaisers eine vom Berliner Kardinal Konrad von Preysing vorgegebene klare Abgrenzung gegenüber der Partei, die die jeweiligen Bischöfe und Jurisdiktionsträger auch gegenüber den einzelnen Geistlichen durchsetzten. Ausnahmen davon gab es im thüringischen Eichsfeld und im Gebiet der katholischen Sorben; freilich war hier das Eigenleben der Union bis in die 1980er Jahre hinein auch vergleichsweise groß. In den evangelischen Landeskirchen stellte sich die Situation uneinheitlicher dar: Mit der SED kollaborierende Bischöfe wie Moritz Mitzenheim in Thüringen standen der Ost-CDU näher als etwa der strikt antikommunistische Berliner Bischof und langjährige EKD-Ratsvorsitzende Otto Dibelius. Einzelne evangelische Geistliche ließen sich aus den unterschiedlichsten Motiven auf eine Zusammenarbeit mit der CDUD ein. Allerdings verringerte sich die Bereitschaft zur Kooperation drastisch, je deutlicher seit der Einführung der Jugendweihe 1954 wurde, dass die SED die Kirchen aus der Gesellschaft verdrängen wollte.

Die Wende: Selbstreinigung, Zusammenschluss mit der westdeutschen CDU und Neubegründung der ostdeutschen Landesverbände

In den 1980er Jahren gab es wenig politische Veränderung innerhalb der CDUD; auch die Union war von der Lähmung der späten Honecker-Jahre nicht unberührt. Lediglich in der Kultur- und Umweltpolitik versuchte die Partei eigene Felder zu besetzen, freilich immer in SED-konformen Bahnen.

In der friedlichen Revolution 1989 zeigte sich dann jedoch sehr schnell, dass die CDUD trotz des gleichgeschalteten Parteiapparates und der SED-hörigen Führung unter Gerald Götting durchaus Mitglieder mit demokratischen Vorstellungen besaß, die einen Neuanfang wagten. Im "Brief aus Weimar" vom 10. September wurde sehr früh ein personeller und programmatischer Neuanfang gefordert und mit dem erzwungenen Rücktritt Göttings am 2. November 1989 auch eingeleitet. Unter Lothar de Maizière begann die Selbstreinigung der Partei.

Unterstützt wurde dieser Prozess durch die westdeutsche Union. Dort war eine Zusammenarbeit mit der CDUD lange umstritten, bis deutlich wurde, dass es sich wirklich um einen Neuanfang handelte. Die CDU-Führung unter Helmut Kohl traf die strategische Entscheidung, für die Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990 einerseits klar auf einen politischen Wandel zu setzen. Andererseits versuchte man aber auch die logistischen Möglichkeiten der CDUD zu nutzen, in dem auf Kohls Anregung CDUD, Demokratischer Aufbruch (DA) und Deutsche Soziale Union (DSU) in der "Allianz für Deutschland" kooperierten. Nach der gewonnenen Wahl ließen sich durch den Zusammenschluss mit dem DA die reformorientierten Kräfte in der CDUD stärken. Den Rahmen für den Neuaufbau bildeten die Landesverbände in den neuen Bundesländern, deren Gründung im Herbst 1990 vorbereitet wurde. Im September 1990 trat dann noch die DBD der CDU bei. Seit dem Zusammenschluss von ost- und westdeutscher CDU auf dem 38. Bundesparteitag am 1.-2. Oktober 1990 in Hamburg hat ein deutlicher Wandel in der Mitgliederstruktur eingesetzt: 82% der Mitglieder der ostdeutschen Landesverbände sind erst nach der Wende in die CDU eingetreten (Stand September 2008).

Fazit

Unter Jakob Kaiser war die CDU in der SBZ die wohl aktivste Vertreterin eines demokratisch motivierten Widerstands gegen die Stalinisierung. Unter Nuschke und Dertinger begannen die parteiinternen Säuberungen. Der Gleichschaltungsdruck führte zugleich zu sukzessivem Mitgliederschwund. Unter Gerald Götting verfestigte sich bei der CDUD die Rolle einer Erfüllungsgehilfin der SED. Die Umstellung der politischen Arbeit auf hauptamtliche Kräfte sorgte für eine mehr oder weniger reibungslose Umsetzung der Direktiven der Parteiführung, und die Durchsetzung mit Spitzeln des MfS machte politische Unmutsäußerungen auch unter „Unionsfreunden“ gefährlich. Im politischen System der DDR der 1960er und 1970er Jahre schloss die Mitgliedschaft in der CDUD Spitzenpositionen in Staat und Gesellschaft weitgehend aus, bot aber auch als Nachweis der Staatsloyalität Schutz vor weitergehenden Pressionen. In diesem Sinne sicherte die CDUD auch Nischen, in denen die christdemokratische Weltanschauung überdauern konnte. Als Ganzes jedoch war die CDUD Teil des von der SED beherrschten Regimes. Trotzdem hatten sich die Mitglieder der CDUD, wie die Selbstreinigung 1989/90 zeigt, genügend demokratisches Potential bewahrt, um den Erneuerungsprozess der Partei einzuleiten. Durch diese Erneuerung, den Zusammenschluss mit dem DA und den Beitritt neuer Mitgliedergruppen setzte seit 1990 ein weitgehender Mitgliederwandel in den neubegründeten ostdeutschen Landesverbänden ein.