Rita Schorpp/KAS e.V.

Planmäßige Bedarfsdeckung und Lebensstandard

Zu den dauerhaften Alltagsproblemen gehörte das Beschaffen von Waren des täglichen Gebrauchs und von Konsumgütern. Nur die Versorgung mit relativ billigen Grundnahrungsmitteln war seit Mitte der 60er Jahre ausreichend gesichert.

 

Knapp waren besonders langlebige Konsumgüter, deren Verteilung teilweise streng geregelt war. Für die Beschaffung eines Autos mussten lange Wartezeiten in Kauf genommen werden. 1989 wurden Trabis ausgeliefert, die vierzehn Jahre vorher, also 1975, bestellt worden waren. Waren für den täglichen Gebrauch konnten plötzlich für längere Zeit aus den Geschäften verschwinden. Regelmäßige Engpässe in der Warenzuteilung traten im Sommer bei Getränken, im Winter bei Heizmaterial, an der Ostsee bei Badebekleidung oder auf dem Land bei Gartengeräten auf. Gegenstand unendlich vieler Geschichten war der häufige Mangel an Toilettenpapier. Im Überfluss gab es dagegen Ladenhüter, wie unverkäufliche Kleidungsstücke schlechter Qualität oder billige „Plaste“-Artikel im „sozialistischen Einheits-Design – SED“. Lichtblicke im Beschaffungsalltag waren Sonderzuteilungen vor Feiertagen. Südfrüchte gab es vor dem 1. Mai und zu Weihnachten. Wer Glück hatte, konnte gelegentlich Exportüberschüsse oder qualitativ gute Importwaren ergattern. Der ständige Mangel führte zu einer latenten Unzufriedenheit, die oft auch offen geäußert wurde. Häufig kam es zu Protesten und spontanen Unmutsäußerungen in Geschäften. Für permanenten Ärger sorgte die Bevorteilung von Berlin in der Warenzuteilung. Schlangen, spöttisch als „sozialistische Wartegemeinschaften“ betitelt, gab es regelmäßig vor Geschäften. In Zeiten besonderer Knappheit wurden sie sogar von Volkspolizisten überwacht.

„Gelernte“ DDR-Bürger entwickelten Beschaffungstechniken, um außerhalb und neben dem Zuteilungssystem ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. Knappe Waren wurden über Beziehungen „organisiert“, getauscht oder durch Aufpreise „schwarz“ erworben. Um „Bückwaren“ zu bekommen, die Verkäuferinnen unter dem Ladentisch für Freunde und Bekannte bereithielten, genügten manchmal schon gute Nachbarschaft und kleine Gegenleistungen.

Abb.: deutsch-deutsche Haushaltsausstattung 1989 (© 2015, IW Medien • iwd Ausgabe vom 26.5.2015)

 

Daneben galt es, im offiziellen Bevorteilungs- und Privilegiensystem einen guten Platz zu besetzen. Diese Zuteilungen waren von der Stellung im politischen System abhängig. Gestaffelte Sonderversorgungen gab es entsprechend den Rängen der Funktionäre oder als zusätzliche Prämien und Geldleistungen bei Auszeichnungen und Orden. Außer Geldleistungen erhielten Funktionäre Sonderzuteilungen von knappen Waren, darunter vor allem Bananen. Die höherrangige Kadernomenklatur hatten eigene Läden. Weitgehend verdrängt wurde von Teilen der Bevölkerung die Existenz breiter sozialer Gruppen, die diese Beschaffungsmöglichkeiten nicht hatten. In den Städten gab es seit Mitte der 70er Jahre das Phänomen der Altersarmut und Verwahrlosung: Rentner, die mit den Mindestrenten auskommen mussten, und immer mehr sozial Schwache, die als „Asoziale“ auch noch kriminalisiert werden konnten. Quer zu den Zuteilungs- und Beschaffungssystemen lag der Vorteil derer, die über „Westgeld“ verfügten oder aus der Bundesrepublik von Freunden und Verwandten beschenkt wurden. Auf Grund des chronischen Devisenmangels hatte die DDR Intershops und ähnliche Einrichtungen geschaffen und nahm es hin, dass die DM zur „zweiten ersten Währung“ wurde.

Lebensstandard

Die politischen Verantwortungsträger der DDR wussten um die zentrale Bedeutung des privaten Verbrauchs für ihre Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Schließlich zeugte sein täglich erlebtes Niveau von der erreichten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des realen Sozialismus.

In den19 50er und 60er Jahren hatten zunächst verschiedene Industrialisierungsaufgaben absoluten Vorrang in der Wirtschaftspolitik der SED-Führung. Dabei ging es besonders darum,  sich von der historisch gewachsenen innerdeutschen Arbeitsteilung freizumachen und eine enge wirtschaftliche Verflechtung mit der sowjetischen Volkswirtschaft einzugehen. Dazu war der Auf- bzw. Ausbau einer eigenen Grundstoffindustrie und Energiewirtschaft sowie die Erweiterung der Produktion von Investitionsgütern (einschließlich Landmaschinen-, Fahrzeug- und Schiffbau) notwendig. Dieses Vorhaben ging zwangsläufig zu Lasten der Konsumgüterindustrie und des privaten Verbrauchs und war gewiss eine der Ursachen für die Fluchtbewegung aus der DDR bis zum Mauerbau.

Anfang der 1970er Jahre hielt die SED-Führung die Zeit für gekommen, den Konsumwünschen der Bevölkerung größere Aufmerksamkeit zu schenken. Ein besseres Konsumgüterangebot, qualitativ stärker differenziert und in ausreichender Menge, sollte bereitgestellt werden. Dazu flossen erhebliche investive Mittel des Staates – zum Teil aus Westkrediten gespeist – in die Konsumgüterindustrie (von 800 Mio. Mark 1972 bis 8 Mrd. Mark 1975), um ihre technische Ausstattung zu verbessern und ihre Produktionskapazität zu erhöhen. SED-Parteitage fassten Beschlüsse zur Verbesserung der Einkommen vor allem der Rentner und Bezieher unterer und mittlerer Löhne und Gehälter, die in der Folge auch umgesetzt wurden.

Abb.: deutsch-deutsche Kaufkraft 1989 (© 2015, IW Medien • iwd Ausgabe vom 26.5.2015 )

Doch diese Politik der Hauptaufgabe, die der VIII. SED-Parteitag 1971 eingeleitet hatte, stieß schon wenige Jahre später an die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungskraft. So erfolgten -  auch wegen der weltweit auftretenden Wirtschaftsprobleme in der zweiten Hälfte der 70er Jahre (Energiekrise, Erdölpreise, verschärfter Wettbewerb) - Abstriche  insbesondere beim privaten Konsum. Diese Tendenz hielt bis zum Zusammenbruch der DDR an. Insofern widerspiegelt die Geschichte des privaten Verbrauchs auch den  gesellschaftspolitischen Anspruch der SED-Führung: Sie entschied, welches Angebot die Bevölkerung in den Geschäften vorfand. 

Das durch das staatliche Monopol definierte Angebot an Gütern und Leistungen für den privaten Verbrauch fand seine Entsprechung im erreichten Konsumtionsstandard, wie ein Blick auf den Verbrauch an Nahrungsmitteln verdeutlicht. Auf dem Lebensmittelmarkt in der DDR überwog  die heimische Ware. Das hatte Folgen: Während die Westdeutschen schon lange jährlich mehr Frischobst als Kartoffeln zu sich nahm (60 bis 80 kg), verzehrten die DDR-Deutschen im Jahre 1989 rund 150 kg Kartoffeln, aber nur knapp 32 kg Frischobst, weniger als im Jahre 1970 (34,4 kg). Dieses Beispiel zeigt die empfindlichen Lücken im Lebensmittelangebot nach Umfang, Struktur, Vielfalt und Qualität. Die Menschen in der DDR aßen zu viel, zu süß, zu fett und/oder zu salzig. Statt der empfohlenen 30 Prozent deckten überwiegend tierische Fette zu 46 Prozent den täglichen Energiebedarf. Stark vernachlässigt wurden auch die Anforderungen an die Ernährung z.B. von Diabetikern.

Über die Ausstattung der DDR-Haushalte mit technischen Konsumgütern gibt es wenige  Informationen mit Aussagen zur Sozialstruktur der Verbraucher bzw. zum technischen Standard der genutzten Gebrauchsgegenstände.

Für viele Erzeugnisse, die sich in entwickelten westlichen Industrieländern zu jener Zeit schon im Gebrauch privater Haushalte befanden, wie moderne Küchenherde mit Keramikfeld, Videokameras, Videorecorder, PCs, Telespiele oder CD-Player, um nur  einige zu erwähnen, gab es keine Angaben, denn im Einzelhandel der DDR wurden sie nicht verkauft. Konsumgüter, die zum Verkauf standen und in die privaten Haushalte Einzug hielten, genügten westlichen Qualitätsmaßstäben häufig kaum oder gar nicht. 

Die Sozialstruktur der mit einem PKW ausgestatteten Haushalte (rund 54 Prozent) ergab 1989 folgendes Bild: Knapp drei Prozent von ihnen fuhr einen Zweitwagen. 73 Prozent der Haushalte von LPG-Mitgliedern besaßen ein Privatfahrzeug, Rentnerhaushalte ohne zusätzliches Arbeitseinkommen dagegen nur zu 13 Prozent. Innerhalb der durchschnittlich ausgestatteten Arbeiter- und Angestelltenhaushalte waren jene knapp 42 Prozent schlechter mit PKW versorgt, deren Haushaltsnettoeinkommen maximal 1.800 Mark betrug und damit um 150 Mark oder mehr unter dem Einkommensdurchschnitt der Arbeitnehmerhaushalte lag.

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