Rita Schorpp/KAS e.V.

Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)

Der RGW – im Westen auch COMECON oder CMEA (Council for Mutual Economic Assistance) genannt – war der Zusammenschluss sozialistischer Staaten mit dem Ziel einer „sozialistischen ökonomischen Integration“.

Seine Gründung im Januar 1949 war allerdings vorwiegend politisch motiviert: Auf Druck Stalins sollte verhindert werden, dass die kleineren osteuropäischen Länder ihre gewachsenen Handelsbeziehungen mit dem Westen wieder aufnahmen und sich an dem von amerikanischer Seite initiierten Wiederaufbauprogramm ("Marshall-Plan") beteiligten. Stattdessen mussten sich Bulgarien, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei und Ungarn als Gründungsmitglieder verpflichten, ihren Außenhandel mit der Sowjetunion durch eine entsprechende Industrialisierungspolitik auszubauen. Gleiches galt für die kurze Zeit danach aufgenommenen Vollmitglieder Albanien (1949; stellte Mitarbeit 1962 ein) und DDR (1950). Mit dem späteren Beitritt der Mongolei (1962), Kubas (1972) und Nordvietnams (1978) wollte die Sowjetunion ihren politischen Einfluss auch außerhalb Europas festigen. Neben den Vollmitgliedern erhielten verschiedene sozialistische Länder einen Beobachterstatus (u.a. Nordkorea, China bis 1966, Nicaragua, Moçambique, Angola, Äthiopien und Jugoslawien).

Abb.: Flagge des RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) (©Froztbyte / Public domain)

Das 1959 verabschiedete RGW-Statut machte die „konsequente Verwirklichung der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung im Interesse des Aufbaus des Sozialismus und Kommunismus“ zum verbindlichen Ziel der Zusammenarbeit. 1962 scheiterte der Versuch Chruschtschows, eine supranationale Wirtschaftsplanung einzuführen; stattdessen einigte man sich auf die Koordinierung der staatlichen Fünfjahrpläne als Hauptmethode der Zusammenarbeit. Diese Koordinierung war  1971 Gegenstand des verabschiedeten „Komplexprogramms“. Damit sollten vor allem mittel- und langfristige Maßnahmen der Strukturpolitik, der Entwicklung von Wissenschaft und Technik sowie der „Spezialisierung und Kooperation“ im Bereich der Industrieproduktion abgestimmt werden. Beabsichtigt war, durch eine länderspezifische Aufteilung der Produktionsgebiete und entsprechende Austauschvereinbarungen„ökonomisch unbegründete“ Parallelproduktionen im RGW zugunsten eines komplementären Güteraustauschs abzubauen. Aber hier wie auch bei dem Vorhaben, „langfristige Zielprogramme“ für zehn bis 20 Jahre miteinander abzustimmen, blieb es meist bei programmatischen Erklärungen.

Oberstes Entscheidungsorgan war die einmal jährlich stattfindende Ratstagung, auf der die Ministerpräsidenten der Mitgliedsländer die Grundsätze der Zusammenarbeit beschlossen. Vollzugsorgan war das Exekutivkomitee, das sich aus Stellvertretern der Ministerpräsidenten zusammensetzte. Daneben bestanden sechs Komitees und 22 Ständige Kommissionen, die für den Warenaustausch einzelner Branchen oder für allgemeine Fragen wie Valuta- oder Finanzbeziehungen zuständig waren. Für die Beschlüsse aller Organe galt das Einstimmigkeitsprinzip, allerdings beschränkt auf die jeweils „interessierten“ Mitglieder. Da den Mitgliedstaaten laut Statut volle Souveränität garantiert war, verfügten die RGW-Organe gegenüber den nationalen Planungsbehörden ausschließlich über ein Empfehlungsrecht, deshalb wurden die Beschlüsse oft nur zögernd umgesetzt.

Abb.: Comecon-Mitgliedsstaaten und Beobachter (© NuclearVacuum / CC BY-SA)

Aufgrund der Planungshoheit der Mitgliedsländer und der nicht konvertiblen Währungen wurden nahezu ausschließlich bilaterale und mengenbezogene Handelsverträge abgeschlossen. Die Vertragspreise im Handel innerhalb des RGW waren an den Fünfjahresdurchschnitt der Weltmarktpreise gekoppelt. Aber festgelegt wurden sie in bilateralen Verhandlungen auf Regierungsebene. Daran änderte auch das 1964 eingeführte multilaterale Verrechnungssystem mit dem "Transferrubel" als künstlicher Verrechnungseinheit nichts.  Die Verwendungsmöglichkeit von Transfer-Rubel-Guthaben war stark eingeschränkt. In der Regel wurden sie von den Partnerländern nicht mit „volkswirtschaftlich wichtigen Gütern“, sondern mit „weichen“ Waren abgegolten.

Nachdem die RGW-Länder auf einem Gipfeltreffen 1984 beschlossen hatten, sich stärker an der weltweiten Arbeitsteilung zu beteiligen, wurden „harte“ Güter vorwiegend für den Export in westliche Industrieländer verwendet – nicht zuletzt, um den inzwischen angewachsenen Schuldendienst zu bedienen.

Gleichwohl war der Handel der europäischen RGW-Länder noch immer stark auf die UdSSR als Rohstofflieferant und Absatzmarkt für industrielle Produkte konzentriert. Der nach 1989 einsetzende Übergang der meisten RGW-Staaten zur Marktwirtschaft bedeutete daher eine völlige Neuorientierung ihrer Außenwirtschaftsbeziehungen. Als die Mitglieder schließlich beschlossen, zum 1. Jan. 1991 ihre Verrechnungen vom Transferrubel auf konvertible (West-)Währung zu Weltmarktpreisen umzustellen, war das Schicksal des RGW besiegelt. Seine formelle Auflösung erfolgte auf der 46. Ratstagung in Budapest am 28. Juni 1991.