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Sozialistisches Eigentum
Charakteristisch für die Eigentumsordnung in der DDR war zunächst ihre an ideologischen Gesichtspunkten ausgerichtete, hierarchische Gliederung nach Eigentumsformen, die verschiedenen Rechtsregeln unterstanden und einen abgestuften Rechtsschutz genossen. Innerhalb der Kategorie des „sozialistischen“ Eigentums wurde zwischen den drei Unterformen des staatlichen Eigentums (gesamtgesellschaftliches Volkseigentum), des genossenschaftlichen Eigentums (genossenschaftliches Gemeineigentum werktätiger Kollektive) und des Organisationseigentums (Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger) unterschieden.
Diesen nach der marxistischen Ideologie "hochwertigen" Formen des Kollektiveigentums standen zwei Formen des individuellen Eigentums gegenüber, nämlich das ideologisch unbedenkliche „persönliche Eigentum“ an Konsumgütern und das ideologisch verwerfliche, aber aus opportunistischen Gründen bis auf weiteres in engen Grenzen geduldete „Privateigentum“ an Produktionsmitteln. Da alle Eigentumsformen bestimmten Zwecken zu dienen hatten, unterlagen sie einer je spezifischen Funktionsgebundenheit, deren juristische Konkretisierung allerdings verschwommen blieb. Schon wegen der systembedingten Funktionsgebundenheit konnte und sollte dem Eigentümer nicht die umfassende Sachherrschaft im Sinne des § 903 BGB vermittelt werden. Des Weiteren wurde die Eigentümerposition durch die zentrale Wirtschaftsplanung und -leitung, zahlreiche öffentlich-rechtliche Beschränkungen und eigentumsähnliche Nutzungsberechtigungen derart überlagert, dass sie vielfach zu einem wirtschaftlich wertlosen, praktisch inhaltslosen Rechtstitel verkam. Die Befugnis zur Ausübung der herkömmlichen Eigentümerbefugnisse wurde auf diese Weise vom Eigentum gelöst. Die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit des Eigentums führte namentlich im Grundstücksrecht dazu, dass die Grundbücher vernachlässigt wurden und das juristische Eigentum nicht der tatsächlichen Sachherrschaft folgte. Die sachgerechte Bereinigung der verworrenen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse stellte nach der Wiedervereinigung den Gesetzgeber wie die Rechtsprechung auf eine harte Probe.
Abb.: Schild des Volkeigenen Gutes Vorder Bollhagen, ohne Datum (© Bundesarchiv, Bild 183-H25538 / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE)
Staatliches Eigentum (Volkseigentum)
Das staatliche Eigentum genoss als ideologisch höchstwertige, weil total vergesellschaftete Eigentumsform bedeutende Privilegien. Die wichtigsten Produktionsmittel waren nach Art. 12 Abs. 1 der Verfassung ihm vorbehalten und damit dem privaten Rechtsverkehr entzogen. Sachen in staatlichem Eigentum konnten weder verpfändet oder belastet noch ersessen werden und waren im Vollstreckungsverfahren schlechthin unpfändbar. Das Anlagevermögen der Betriebe unterlag einem grundsätzlichen Verfügungsverbot in Bezug auf private Erwerber. Ein gutgläubiger Erwerb staatlicher Grundstücke war ausgeschlossen. Diese zivilrechtlichen Regelungen, in denen der Grundsatz der Unantastbarkeit des Volkseigentums zum Ausdruck kam, wurde durch weitere Vorschriften ergänzt, die auf eine privilegierende Vermehrung der staatlichen Vermögensmasse abzielten. Der Staat als Eigentümer war natürlich ein juristisches Abstraktum. In rechtstatsächlicher Hinsicht stellte er sich als ein hochkomplexes Geflecht planender, regelnder, verwaltender und wirtschaftender Organisationseinheiten dar, unter denen die Eigentümerbefugnisse (Besitz, Nutzung, Verfügung) ebenso verteilt waren wie die traditionellen Hoheitsbefugnisse (Rechtsetzung, Vollziehung, Rechtsprechung). Die dadurch aufgeworfenen Konstruktionsprobleme wurden weder theoretisch noch gesetzestechnisch befriedigend gelöst. Insbesondere die doppelte Rechtsstellung der staatlichen Betriebe als plan- und weisungsgebundene Verwalter staatlichen Vermögens einerseits und als Träger Dritten gegenüber absolut wirkender, aber funktionsgebundener Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse andererseits wurde niemals sachgerecht erfasst. Zu ihrer Kennzeichnung vermochte sich auch keine einheitliche Terminologie durchzusetzen. Lange Zeit war der aus dem Sowjetrecht übernommene Ausdruck „operative Verwaltung“ gebräuchlich. Später wurde in der Wirtschaftsgesetzgebung die „Fondsinhaberschaft“ und im Grundstücksrecht die „Rechtsträgerschaft“ bevorzugt.
Gruppeneigentum
Das genossenschaftliche Eigentum, das vor allem in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Einzelhandel (Konsumgenossenschaften) und im Wohnungsbau verbreitet war, wurde als eine niedere Entwicklungsstufe des sozialistischen Eigentums betrachtet, da sich die Vergesellschaftung nur auf eine Gruppe erstreckte.Gleiches galt für das meist stillschweigend übergangene Organisationseigentum, als dessen Träger die SED und ihre Gefolgsparteien, die Gewerkschaften, die FDJ und andere gesellschaftliche Organisationen in Betracht kamen. Beide Eigentumsformen unterschieden sich hauptsächlich nach ihrer Funktionsgebundenheit, da die Genossenschaften in erster Linie wirtschaftlichen Zwecken dienten, während die gesellschaftlichen Organisationen sehr verschiedene politische, soziale, kulturelle, propagandistische u.a. Zwecke verfolgten. Im Übrigen galten für sie die gleichen zivilrechtlichen Regeln, in denen der Unantastbarkeitsgrundsatz in abgeschwächter Form zum Ausdruck kam. Verfügungsverbot, Ausschluss der Ersitzung und des gutgläubigen Grundstückserwerbs waren ebenso maßgebend wie beim staatlichen Eigentum. Verpfändung und Belastung waren hingegen möglich. Eine Zwangsvollstreckung war nicht schlechthin, sondern nur in das genossenschaftliche Anlagevermögen und in das zur Zweckerfüllung benötigte Organisationsvermögen unzulässig.
Individuelles Eigentum
Für das persönliche Eigentum und das meist nicht ausdrücklich so benannte Privateigentum galten – trotz ihrer entgegengesetzten ideologischen Bewertung – grundsätzlich die gleichen Regeln, die sich durch Abwesenheit der genannten Privilegien auszeichneten. Das Privateigentum wurde insofern geduldet, als es sich um „auf überwiegend persönlicher Arbeit beruhende kleine Handwerks- und andere Gewerbebetriebe“ handelte (Art. 14 Abs. 2 der Verfassung). Für Handwerksbetriebe wurde diese allgemeine Vorgabe gesetzlich insofern konkretisiert, als in ihnen höchstens zehn Personen beschäftigt werden durften. Ansonsten wurde das Privateigentum durch Enteignungen, faktischen Entzug der Eigentümerbefugnisse (eingebrachte Böden von LPG-Mitgliedern, staatliche Verwaltung des Flüchtlingsvermögens, öffentliche Bebauung privater Grundstücke), Genehmigungsvorbehalte (Grundstücksverkehr, Nutzungsänderungen bei landwirtschaftlichen Grundstücken) und andere administrative Praktiken auf ein Minimum zurückgedrängt. Das persönliche Eigentum sollte der Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger dienen. Aus dieser Funktionsgebundenheit ergaben sich praktische Abgrenzungsprobleme. Es war anerkannt, dass neben Haushalts- und Einrichtungsgegenständen, Gegenständen des persönlichen Bedarfs und Geld auch Personenkraftwagen, Eigenheime und Wochenendgrundstücke der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienten. Der Einsatz des persönlichen Eigentums zur Gewinnerzielung, wie die private Vermietung von Wohnraum oder die Verwendung des PKW als Taxi, war vom Funktionsvorbehalt aber nicht mehr gedeckt. Trotzdem mussten hier ideologische Kompromisse eingegangen und Ausnahmen zugelassen werden, um etwa in Erholungsgebieten (Ostseeküste) oder während der Leiziger Messe den Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten zu befriedigen.