Rita Schorpp/KAS e.V.

Freizeit, Kultur, Sport und Reisen

Das „wirkliche Leben“, die Freizeit jenseits von Erwerbsarbeit, gesellschaftlicher Tätigkeit, Hausarbeit und Besorgungen, war überaus knapp bemessen. Auch darum wollte fast jeder einmal im Jahr „richtig Urlaub machen“. Doch den verbrachte man meist im Inland.

Die „gesellschaftliche Arbeit“ beschnitt die individuelle Freizeit spürbar. Parteiarbeit, ehrenamtliche Tätigkeiten in Massenorganisationen und Sportgemeinschaften, Einsätze als Wahlhelfer, Agitator oder Ordner, Aufgaben im Elternbeirat oder als Zirkelleiter summierten sich für jeden angepassten DDR-Bürger und brachten einen durchaus erheblichen Zeitaufwand mit sich.

Rechnet man dazu den beträchtlichen Aufwand für die Organisation des täglichen Lebens – vom Schlangestehen beim Einkauf bis zum Ärger mit den Ämtern – sowie für die beliebteste Freizeitbeschäftigung, das abendliche Westfernsehen, war der typische DDR-Bürger vom Aufstehen bis zum Schlafengehen eingespannt. Aktive Freizeit in der Familie war fast nur an freien Tagen möglich.

Für die individuelle, aber zugleich gelenkte Freizeitgestaltung gab es zahlreiche Angebote. Dafür sorgte ein Netz an Bibliotheken und Kinos, das etwa doppelt so dicht war wie heute. Systemkritische Bücher und Filme waren selbstredend verboten. Eine dichte Theater- und Museumslandschaft war ebenso politisch gewollt wie ein breit gefächertes Angebot für Laienkünstler und „schreibende Arbeiter“, in Sportgemeinschaften und für Kleingärtner, und all das wurde direkt aus staatlichen Mitteln oder über die Betriebe, Parteiinstitutionen und Massenorganisationen finanziert. Das Ziel der Freizeitangebote war dabei immer auch die „Herausbildung des sozialistischen neuen Menschen“.

Abb.: Spielplatz auf dem Erfurter iga-Gelände (1974, © Bundesarchiv, Bild 183-N0809-0014 / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE)

Literatur, Film und Theater erfüllten seit 1971 zugleich eine kontrollierte Ventilfunktion. Mit Honeckers leicht gelockertem kulturpolitischem Kurs der „Weite und Vielfalt“ (allerdings im Ausgang „von den festen Positionen des Sozialismus“) wurde offiziell Detailkritik zugelassen, jedoch keine grundsätzliche. Seitdem entstand in der DDR eine Kunst und Literatur, aus der manche Werke Kultstatus erlangten. Hier wurden Probleme berührt, die in den Massenmedien tabu waren. Theatervorstellungen waren ausverkauft, wenn „Die neuen Leiden des jungen W.“ (Plenzdorf) gegeben wurden, vor den Kinos standen Schlangen, wenn „Die Legende von Paul und Paula“ lief. Gegenwartsliteratur, die über die üblichen sozialistischen Propagandaromane, Reisereportagen und Abenteuerromane hinausging, war häufig vergriffen, bevor sie überhaupt auf die Ladentische kamen, und das bei durchschnittlichen Auflagehöhen von 10.000 bis 30.000.

Wie in jeder Diktatur entwickelte auch das DDR-Volk ein feines Gespür für Zwischentöne und die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Man verglich seine Erfahrungen und Sehnsüchte mit denen der Kunstfiguren.Das Lesen – auch der (in sehr hohen Auflagen verkauften) Zeitschriften und Illustrierten – war eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Im vielbeschworenen Leseland DDR hatte das Lesen immer auch eine Ersatzfunktion. In der geschlossenen und eingeschlossenen Gesellschaft bot es geistige Brücken in andere Welten und zu einem freieren Leben.

Dabei waren sich fast alle mehr oder weniger der Tatsache bewusst, dass jedes Buch, jede Inszenierung, jeder Film seine Zensur durchlaufen hatte. Dramatisch wurde es häufig dann, wenn es einem Autor – wie beispielsweise Reiner Kunze – gelang, die Zensur durch eine Veröffentlichung im Westen zu umgehen. Für „Die wunderbaren Jahre“ (1976), seine Erzählungen über den Erziehungsdrill und die instrumentalisierte und aufbegehrende Jugend in der DDR, wurde er mit Berufsverbot belegt und schließlich zur Übersiedlung nach Westdeutschland gedrängt. Ähnlich erging es kritischen bildenden Künstlern 1984 nach ihrer ungenehmigten Ausstellung „1. Leipziger Herbstsalon“. Sie hatten eine Ahnung vermittelt von den unangepassten künstlerischen Stilen, die es neben der offiziellen und geförderten Staatskunst gab. Bisweilen kam es aber auch vor, dass die Zensoren Werke zunächst durchwinkten, weil sie ihre gesellschaftliche Brisanz falsch einschätzten. Auf diese Weise erschien z. B. Volker Brauns Hinze-Kunze-Roman (1985), der das Herr-Knecht-Verhältnis am Beispiel eines SED-Funktionärs und seines Fahrers vorführte. Sofort nach der Auslieferung ließen die Kulturwächter die Reste der Auflage wieder einziehen. Vorkommnisse wie dieses sorgten für Gesprächsstoff im ganzen Land und zeigten jedem, wie unfrei die Kunst im Sozialismus tatsächlich war.

Sport

Der Breitensport mit seinen Angeboten für alle Altersklassen wurde überdurchschnittlich gefördert und gern angenommen. Ausgenommen waren allerdings „kapitalistisch dekadente Sportarten“ wie Golf, Tennis oder Surfen. Als Kind und Jugendlicher wurde jeder für mindestens eine Sportart, für die er halbwegs Talent zeigte, geworben. Organisiert waren alle Sportgruppen im DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund). Jährlich wurden aufwendige „Kinder- und Jugendspartakiaden“ veranstaltet. Die Bestplatzierten der Kreisspartakiaden durften dann an den Bezirksausscheiden und die Sieger dort an den Republikausscheiden teilnehmen.

Diese Wettkämpfe mit ihrem Sportfestcharakter wirkten hochgradig motivierend und waren zusammen mit den kontinuierlichen Talentsichtungen an den Schulen eine außerordentlich effektive Methode zur Rekrutierung späterer Spitzensportler. Talente kamen auf diese Weise sehr jung in Internate von Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) und in Trainingszentren und wurden professionell als künftige Leistungssportler aufgebaut. Wer Pensum und Normen nicht mehr schaffte, erlebte allerdings eine gnadenlose Selektion.

Der Medaillenspiegel bei internationalen Wettkämpfen und Olympischen Spielen galt im Kalten Krieg als Aushängeschild für die Überlegenheit des Sozialismus. Der Sport war das einzige Feld, auf dem die kleine DDR zur „Weltspitze“ zählte. Flächendeckendes Zwangsdoping im Leistungssport und spätere schwere Gesundheitsschäden, wie sie bei mehreren hundert ehemaligen Spitzensportlern festgestellt wurden, waren der Preis, den man zahlte, um ins nichtsozialistische Ausland reisen zu dürfen und im eigenen Land bejubelt zu werden.

Urlaub

Die Urlaubsreise war ein Höhepunkt im Jahr, und die DDR-Bürger waren im Ostblock der 70er und 80er Jahre Reisespitzenreiter. Doch auch das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass angesichts geringer Einkommen, einer unterentwickelten touristischen Infrastruktur und der für die meisten geltenden Reiseverbote ins westliche Ausland die tatsächlichen Urlaubswünsche nur selten erfüllbar waren.

Aus Mangel an anderen Möglichkeiten verbrachte die übergroße Mehrheit ihren Urlaub im Land. Dafür standen Ende der 80er Jahre von den Betrieben finanzierte Ferienplätze für 3,2 Millionen Personen und Gewerkschaftsplätze (FDGB) für 1,8 Millionen zwischen Ostsee und Sächsischer Schweiz – nicht selten aber auch in der Nähe des eigenen Betriebes – zur Verfügung. Darüber hinaus bot das staatliche Reisebüro der DDR jedes Jahr etwa 600.000 vergleichsweise teure Reisen ins sozialistische Ausland an. Die begehrtesten – ans Schwarze Meer oder nach Kuba – kamen aber kaum in den regulären Verkauf.

Abb.: Neptun-Meerestaufen und –hochzeit auf dem Zeltplatz Altenkirchen auf Rügen (1979, © Bundesarchiv, Bild 183-U0829-0014 / Häßler, Ulrich / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE)

So blieb für etwa die Hälfte der Urlaubssuchenden als Alternative nur der Urlaub auf einem der häufig in Waldstücken oder auf Wiesen saisonal betriebenen, provisorischen Campingplätze, die überwiegend nur mit Plumpsklo und Kaltwasser ausgerüstet waren (wobei auch das meist nur stundenweise zur Verfügung stand). Um auf einem solchen Platz campen zu dürfen, musste man bis zum 2. Dezember des Vorjahres ein Formular mit drei Wunschplätzen und Ausweichterminen an die zentrale Campingplatzvermittlung schicken und bekam dann mit etwas Glück seine Zuweisung. Unkomplizierter waren Individualreisen ins sozialistische Ausland (außer in die Sowjetunion, in die nur organisierte Gruppenreisen erlaubt waren, sowie während politischer Spannungszeiten nach Polen und in die Tschechoslowakei). Reguliert wurde der private Reisestrom in die sozialistischen „Bruderländer“ durch die überwiegend geltende Visumpflicht und einen maximalen Umtauschsatz pro Person von 30 Mark für 20, später 30 Tage im Jahr. (durchschnittliches Monatseinkommen in der DDR 1970: 589 Mark, 1990 1.290 Mark)

Quellennachweis

  • Klaus Schroeder: Der SED-Staat, München 1998, S. 584.
Quelle: Deutsche Wochenschau Filmarchiv