Rita Schorpp/KAS e.V.

Wohnung und Datsche

„Besser leben – schöner wohnen“ war ein Versprechen der Sozialistischen Einheitspartei seit 1953. Obwohl sich die Wohnungssituation unter Erich Honecker deutlich verbesserte, gelang es bis 1989 nicht, diesen Anspruch für die Mehrheit der Bevölkerung einzulösen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in West- wie Ostdeutschland akute Wohnungsnot. Auf dem Gebiet der späteren DDR waren von rund vier Millionen Wohnungen 650.000 völlig zerstört und 750.000 durch Beschädigungen nur eingeschränkt bewohnbar. Zusätzlich verschärfte sich die Situation durch den Zuzug von fast vier Millionen Vertriebenen aus dem Osten.

Um Spekulationen auf dem Wohnungsmarkt zu verhindern, wurde der Wohnraum durch die kommunalen Wohnungsämter vergeben, und zwar nach dem Kriterium der Dringlichkeit. Zwangszuweisungen waren die Regel. Und auch in späteren Jahrzehnten gab es nach diesem Prinzip Zuweisungen in Wohnungen, die für den bisherigen Wohnungsinhaber als zu groß angesehen wurden.

Abb.: VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg (1989, ©Robert-Havemann-Gesellschaft/Robert Conrad/RHG_Fo_RoCon_6786 )

Die durchschnittliche Wohnfläche je Person betrug 1961 16,7 Quadratmeter und 1976 37,6 Quadratmeter (inkl. Küche und Bad). Noch 1969 hatte jede vierte Wohnung keinen Wasseranschluss, und nur jeder dritte Haushalt verfügte über ein Bad und ein Innen-WC. Auch 1989 hatten nur 82 Prozent der Wohnungen Bad oder Dusche (Bundesrepublik: 99 Prozent). In Altbauten wurden Duschen von den Bewohnern überwiegend in den Küchen nachgerüstet. Das WC befand sich häufig auf halber Treppe und musste mit Nachbarn geteilt werden.

Noch desolater als das Wasser- und Abwassersystem war das Telefonnetz. Nur 16 Prozent der Haushalte besaßen 1989 ein Telefon. In den Genuss eines Anschlusses kamen fast ausschließlich Funktionseliten, Polizisten, Sicherheitsbedienstete und Ärzte. Der Umfang der Telefonkommunikation wurde bewusst eingeschränkt, um Gesprächsinhalte bei Bedarf abzuhören und oppositionelle („staatsfeindliche“) oder kriminelle Aktivitäten aufzudecken.

Das 1971 verkündete Wohnungsbauprogramm wurde zum Startschuss für mehrere Dutzend Satellitenstädte von Gera-Lusan über Berlin-Marzahn bis Rostock-Lichtenhagen. Die fast ausschließlich in industrieller Plattenbauweise vom Typ WBS 70 (Wohnungsbausystem 70) errichteten Wohnblöcke waren landesweit identisch, die dazugehörige Infrastruktur – Kindergärten, Schulen, Kulturhäuser und Einkaufsmöglichkeiten (Richtgröße: eine Kaufhalle je 5.000–10.000 Einwohner) – ebenfalls.

Auch manchen Kleinstädten und Dörfern wurde der Stempel des „sozialistischen Fortschritts“ in Form von Einheitsplattenbauten in ihren Zentren aufgedrückt. Sehr häufig ging damit ein Frevel an der historisch gewachsenen Bausubstanz einher.

Das Ziel der Partei, bis 1990 drei Millionen Plattenbauwohnungen neu zu errichten, war ehrgeizig. Bis 1989 wurden 1,8 Millionen dieser „Neubauwohnungen“ – im Volksmund „Arbeiterschließfächer“ genannt – fertiggestellt. Mit Fernheizung, Warmwasser, eigenem Bad und WC boten sie für DDR-Verhältnisse sehr komfortable Wohnverhältnisse und waren überaus begehrt. Eine Zuweisung erfolgte bei nachgewiesener Bedürftigkeit meist nach mehrjähriger Wartezeit und längeren Kämpfen mit der Bürokratie – oder als Auszeichnung für „herausragende Leistungen bei der Stärkung der Republik“.

Abb.: Berlin-Marzahn (1987, © Bundesarchiv, Bild 183-1987-0128-310 / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE)

Als für eine vierköpfige Familie angemessen galt eine Drei-Raum-Neubauwohnung mit 67 Quadratmetern. Das entsprach 75 Prozent des bundesdeutschen Wohnraumdurchschnitts. Die Warmmiete lag bei etwa einer Mark pro Quadratmeter, für Altbauten betrug die Kaltmiete meist 30 bis 50 Pfennig pro Quadratmeter. Die staatlichen Wohnungen wurden bis zum Zusammenbruch des Systems hoch subventioniert. Privateigentümer, die zum Vermieten verpflichtet waren, konnten dagegen mit den Mieterlösen nicht einmal die dringendsten Reparaturen finanzieren.

Eine für jeden sichtbare Folge der SED-Wohnungspolitik war der rapide Verfall der Altstädte: In den Innenstädten standen ganze Häuserzeilen leer, die Menschen zogen in die neuen „Schlafstädte“. Nur der Mangel an Geldmitteln und Arbeitskräften bewahrte historische Stadtkerne vor dem Abriss, beispielsweise in Erfurt oder Dresden-Neustadt.

Abb.: Städteverfall, Beispiel Potsdam (©Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski /RHG_Fo_ARa_04_018-13 ​​​​​​​)

Der in Westdeutschland verbreitete „Traum vom Eigenheim“ war in der DDR nur für wenige ein Lebensziel. Nervenaufreibende Verzögerungen bis zur Baugenehmigung, vorgeschriebene Häusertypen, vor allem aber schier unüberwindliche Probleme bei der Beschaffung der Baumaterialien ließen viele davon Abstand nehmen. Nur zwölf Prozent der 2,3 Millionen privaten Ein- und Zweifamilienhäuser (32 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes) wurden zwischen 1960 und 1989 gebaut. 48 Prozent dieser Häuser stammten aus der Zeit vor 1918. Vielfach waren diese Häuser hoffnungslos dem Verfall preisgegeben. Selbst für Notreparaturen an Dächern, Dachrinnen oder Wasserrohren fehlten Material und Handwerker. Die mangelhafte Wohnqualität mit Ofenheizung (wobei die Briketts fast ausschließlich als Schüttgut auf der Straße angeliefert wurden), zugigen Fenstern und oft winzigen Räumen führte oft dazu, dass Eigentümer von Altbauten ihre Häuser an die Stadt verschenkten, sobald ihnen eine komfortablere Mietwohnung angeboten wurde.

Die seit dem 19. Jahrhundert und besonders seit den 1920er Jahren weit verbreitete Schrebergartenkultur gelangte in der DDR zu neuer Blüte. Eine Wohnung und ein Kleingarten mit Datsche waren für viele das Ziel. Für einen der begehrten Pachtgärten bis 400 qm nahmen die Kleingärtner in den Gartenanlagen in Kauf, dass Anzahl und Größe der Bäume beschränkt waren, die anzubauenden Kulturen vorgeschrieben wurden und ein festgelegter Teil der Erträge abgegeben werden musste. (Dadurch sollte die unbefriedigende Versorgung der Bevölkerung mit Obst und Gemüse verbessert werden.) Die Pächter waren in Gartenvereinen zusammengeschlossen. Es herrschte allgemein das Prinzip der solidarischen Nachbarschaft und ein kumpelhafter Umgang, auch bei gemeinsamen Arbeitseinsätzen und organisierten Vereinsfesten. 830.000 Kleingärten (1989) bildeten hochgeschätzte Refugien, in denen die Familien den größten Teil ihrer Freizeit verbrachten und Entspannung fanden. Zudem boten die Erträge Abwechslung für die eigene Küche.

Wer nicht in den Genuss eines Gartens kam, dem blieben nur Wohnung und Natur als Rückzugsräume. Wohnungsausstattungen, besonders der jungen, unbemittelten Leute, bestanden nicht selten aus teils liebevoll restaurierten Erbstücken, oder sie stammten aus Wohnungsauflösungen und vom Sperrmüll. Omas Kupferbratpfanne und Opas Grammofon zeugten vom Bedürfnis nach Individualität.

Dagegen waren selbst die 1968 aufkommenden, damals modernen Anbauwände und Küchen, die als kombinierbare und raumsparende Module konzipiert waren, von fantasieloser Langweiligkeit. Trotzdem konnte die Lieferzeit – außer in Berlin – durchaus ein Jahr und länger betragen. Das auf wenige normierte Modelle beschränkte Sortiment führte zusammen mit dem normierten Grundriss der Plattenbauten, in denen Wohn-, Kinder- und Schlafzimmer vorgegeben waren, dazu, dass die Wohnungen sich oft zum Verwechseln ähnelten. Das wiederum verstärkte den Wunsch nach individueller Gestaltung, danach, es sich „schön zu machen“. Das Ergebnis wirkte auf Außenstehende bisweilen kleinbürgerlich, manchmal auch wie „Marke Eigenbau“.

Quellennachweis

  • Annette Kaminsky, Illustrierte Konsumgeschichte der DDR, Erfurt (Landeszentrale für politische Bildung Thüringen) 1999, S. 81f.;
  • Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur, Berlin 1998, S. 183f.