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Mythos: „In der DDR gab es bezahlbare Wohnungen für alle“

Der Mangel an Wohnraum war eines der gravierendsten Probleme der DDR. Trotz des staatlichen Verwaltungsmonopols, strikter Vergaberegeln und eines ehrgeizigen Wohnungsbauprogramms konnte es nie völlig gelöst werden. Familien und insbesondere Alleinstehende oder auch Geschiedene warteten meist jahrelang auf eine eigene oder größere Wohnung. Dabei verfügte die SBZ nach dem Zweiten Weltkrieg über eine bessere Ausgangsposition als die Westzonen: Dort waren 21 Prozent der Wohnungen völlig zerstört, im Osten dagegen „nur“ 10 Prozent. Im Westen wuchs die Bevölkerung durch Flüchtlinge und Vertriebene in den Nachkriegsjahren um ein Viertel an, im Osten ging sie ab 1948 zurück.

Planwirtschaftlicher Wohnungsbau

Wohnungs- und Städtebau waren Bestandteil der staatlichen Planwirtschaft. Die Bodenpreise wurden ebenso eingefroren wie die Altbaumieten. Die 1981 zentral festgelegten Mieten für Neubauten lagen im Durchschnitt bei 1,80 Mark pro Quadratmeter Wohnfläche. Die meisten Wohnungen waren in kommunaler oder genossenschaftlicher Hand, für die Zuweisung aller Mietwohnungen waren die kommunalen Wohnungsämter zuständig. 1973 startete die DDR ein großes Bauprogramm, das die Wohnungsfrage als soziales Problem bis 1990 lösen sollte. Der Schwerpunkt lag auf dem Wohnungsneubau in Plattenbauweise am Stadtrand auf der grünen Wiese.

Neuer Wohnraum vorwiegend für junge, qualifizierte Arbeitskräfte

Die Wohnungsämter stellten die vergleichsweise komfortablen Unterkünfte mit Fernwärmeversorgung, fließend kaltem und warmem Wasser und Einbauküche in den neuen Großsiedlungen vorwiegend jungen qualifizierten Arbeitskräften zur Verfügung. Während die Altstädte verfielen, kämpften die Bewohner der neuen „sozialistischen Wohnstädte“ oft mit Folgeproblemen wie fehlender Infrastruktur und mangelhaften Verkehrsanbindungen. Die Älteren und weniger Qualifizierten verblieben in den Altbauten der Innenstädte, deren baulicher Zustand sich immer mehr verschlechterte: Viele Dächer waren undicht, die Wohnungen verfügten oft nicht über Bad und Innentoilette, geheizt wurde mit Kohleöfen, es zog durch die Fenster.

Wohnungsbesetzungen und illegaler Tauschhandel als Konsequenz

Der permanente Mangel an Wohnraum und die rigide Vergabepraxis führten zu Wohnungsbesetzungen: Studenten, Künstler oder Alternative zogen „schwarz“ in leerstehende und heruntergekommene Wohnungen beispielsweise in Berlin im Prenzlauer Berg oder in Leipzigs Gründerzeitvierteln. Gleichzeitig blühte die Tauschwirtschaft: Menschen tauschten illegal ihre Wohnungen, z.B. um näher an ihrem Betrieb zu wohnen und so den anstrengenden Alltag zwischen Familie und Beruf besser bewältigen zu können. Viele Protagonisten berichten von hohen Abstandszahlungen.

Als im November 1989 die Mauer fiel, waren die Innenstädte marode und viele Plattenbauten schon sanierungsbedürftig. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung im Oktober 1990 war etwa jede vierte Wohnung dringend renovierungsbedürftig, rund eine Million Wohnungen galten als nicht mehr sanierungsfähig.