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Mythos: „In der DDR gab es keine Zensur“

"Eine Pressezensur findet nicht statt", hieß es in Artikel 9 der ersten DDR-Verfassung von 1949. Und in den Verfassungen von 1968 und 1974 las man: "Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet" (Artikel 27). Der Verfassungsanspruch hatte aber in der Praxis keinen Bestand.

Medien mussten die SED unterstützen

Printmedien, Radio und Fernsehen waren in der DDR Herrschaftsinstrumente. Sie mussten die politische Arbeit der SED unterstützen. Während Artikel 27 der Verfassung die Freiheit der Medien garantierte, stellte das Strafgesetzbuch „staatsfeindliche Hetze“ (der berüchtigte „Gummiparagraph“ § 106) und den „Missbrauch der Medien für die bürgerliche Ideologie“ unter Strafe.

Der Sekretär für Agitation des Politbüros der SED erteilte wöchentlich Anweisungen an Chefredakteure und führende Funktionäre der Massenmedien, wie die Berichterstattung auszusehen habe. Sogar die Platzierung wichtiger politischer Nachrichten wurde den Redaktionen vorgeschrieben. Zuwiderhandlungen konnten Berufsverbote und sogar Zuchthausstrafen nach sich ziehen. 

Staatlich kontrollierte Journalistenausbildung

Wer in der DDR Journalist werden wollte, erlernte sein Handwerk an der Fakultät für Journalistik der Universität Leipzig. Im Volksmund hieß sie „das rote Kloster“. 1968 wurde die Fakultät in Sektion Journalistik umbenannt und der direkten Aufsicht der Abteilung „Agitation und Propaganda“ des Zentralkomitees der SED unterstellt. Das Vorlesungsverzeichnis von 1974 erklärt die Motivation des Sozialistischen Journalisten: „Sein Bedürfnis ist, als Agitator und Propagandist für die Politik von Partei und Regierung aufzutreten.“ Jochen Staadt, Projektleiter beim Forschungsverbund SED-Staat an der TU Berlin, erklärt das Ziel des Studiums: „Ein Journalist hatte einen parteilichen Auftrag, den er in den Medien verwirklichen sollte. Entsprechend gab es neben der Fachausbildung in der Sektion Journalistik eben auch eine straffe ideologische Schulung der dort eingestellten und zur Ausbildung gelangten Studentinnen und Studenten.“

Zensur auch bei Literatur und Kultur

Zensur gab es aber auch an anderer Stelle, nämlich im gesamten Literatur- und Kulturbetrieb. Jede Veröffentlichung musste ein "Druckgenehmigungsverfahren" bei der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel durchlaufen. Diese Zensur konnte das Erscheinen literarischer Werke verhindern. So durften etwa Uwe Johnsons Debütroman „Ingrid Babendererde“ oder Ingrid Morgners „Rumba auf einen Herbst“ in der DDR nicht erscheinen. Aber nicht nur aktuelle DDR-Literaten, auch andere fielen der Zensur zum Opfer, z.B. der Viktor Klemperer, George Orwell und zeitweise auch Voltaire. Robert Graves 1934 erschienener historischer Roman „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ wurde wegen zu vieler Giftmorde verboten. Betroffen waren auch Bilderbücher: Das Sachbilderbuch „Tatü, tata“ durfte nicht erscheinen, weil einem Roller die Klingel fehlte. Und das Bilderbuch „Hosenmatz, erzähl mir was“ wurde nicht gedruckt, weil dem Zensor ein Teddybär zu hässlich war.

Versuch der Führung, Zensur zu verschleiern

Um dem Ansehen der DDR nicht zu schaden, scheuten die zuständigen SED-Kulturfunktionäre zunehmend offene Verbote. Sie nutzten andere Mittel: Nur wer Mitglied im Schriftstellerverband der DDR war, konnte als freier Schriftsteller arbeiten. Zur Mitgliedschaft gehörte aber auch das Bekenntnis zur „führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei in der Kulturpolitik“ - also zur SED. Wer hierzu nicht bereit war, konnte aus dem Verband ausgeschlossen werden und verlor so die Möglichkeit zu veröffentlichen und damit die Existenzgrundlage.

Zensur auch in anderen künstlerischen Bereichen

Ähnlich verhielt es sich auch mit anderen Künstlern. Bands mussten ihre Lieder und Auftritte genehmigen lassen. Die drei erfolgreichen Bands, die der Leipziger Klaus Jentzsch nacheinander gegründet hatte – Klaus Renft Kombo, Butlers und Renft – wurden 1962, 1965 und 1975 jeweils wegen kritischer Texte verboten. Renft hatte mit zwei Liedern (Glaubensfragen - über Bausoldaten; Die Rockballade vom kleinen Otto – über eine missglückte Flucht) die „Staatsmacht“ auf den Plan gerufen. Einige Bandmitglieder von Renft verließen „freiwillig“ die DDR, Gerulf Pannach und Christian Kunert wurden nach neun Monaten Haft in der zentralen Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen unter Androhung von bis zu zehn Jahren Haft ausgebürgert.