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Freikirchen in der DDR
Freikirchen existierten im Unterschied und Gegenüber zu den Großkirchen. Alle hier genannten Freikirchen waren den reformatorischen Kirchen und Denominationen zuzurechnen und zählten zu den wichtigsten. Der Sammelbegriff „Freikirchen“ ist der Versuch, die Existenzform dieser Kirchen zu beschreiben. Sie waren frei in ihren theologischen und sonstigen Entscheidungen, die Mitgliedschaft war freiwillig, sie waren vom Staat unabhängig und regelten ihre finanziellen Angelegenheiten selbstständig. Fast alle dieser Merkmale treffen allerdings inzwischen auch auf die Großkirchen zu.
Konfessionskundlich unterscheidet man zwischen den sog. „Freikirchen“ und konfessionellen Minderheitskirchen. Während Erstere sich seit Längerem in einem Prozess der Kirchwerdung befinden, sind die Vertreter der zweiten Gruppe vom Beginn ihrer Existenz an Kirche und verstehen sich selbst als legitime Fortsetzung der Kirchen der Reformation.
Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR waren folgende Freikirchen ansässig:
- die Mennoniten-Gemeinde
- der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR
- die Religiöse Gesellschaft der Freunde
- die Evangelische Brüderunität
- die Evangelisch-methodistische Kirche
- der Bund Freier evangelischer Gemeinden.
Folgende konfessionelle Minderheitskirchen waren zu finden:
- die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
- die Evangelisch-Lutherische Freikirche
- der Kirchenbund Evangelisch-Reformierter Gemeinden in der DDR.
Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche vollzog 1991 den Anschluss an die bis dahin nur auf dem Gebiet der „alten“ Bundesrepublik existierende Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, einen Zusammenschluss mehrerer lutherischer Minderheitskirchen aus dem Jahre 1972. Des Weiteren gab es den Gemeindeverband der Altkatholischen Kirche in der DDR.
Abb.: Rolf Dammann, von 1969 bis 1989 Generalsekretär des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR, bei der Einweihung des Gemeindezentrums der Bethel-Gemeinde Berlin-Friedrichshain (1982, © Michael G. Schroeder / CC BY-SA)
Was das Verhältnis zwischen DDR-Staat und Freikirchen betrifft, so bietet sich ein ambivalentes Bild. Dadurch, dass ihre Mitgliederzahl relativ klein war, standen die Freikirchen zusammen mit der römisch-katholischen Kirche in der ehemaligen DDR im Schatten der evangelischen Landeskirchen. Diese Situation hat dazu beigetragen, dass die Freikirchen und ihre Kirchglieder zum Teil vor staatlichen Repressionen bewahrt blieben. Die Unterwanderung durch sog. „inoffizielle Mitarbeiter“ des Ministeriums für Staatssicherheit ist geringer gewesen und hat aufgrund der oft familiären Verhältnisse in den Gemeinden kaum Erfolg gehabt. Zum anderen hat es aber gerade innerhalb der Freikirchen mutige Christen gegeben, die ihren Glauben öffentlich bekannten und deshalb mit dem Regime in Konflikt kamen. Beispielhaft sei erinnert an die Frage der Mitgliedschaft in den Kinder- und Jugendorganisationen der SED oder der Teilnahme an der Jugendweihe, die Stellung zum sog. „Wehrkundeunterricht“ ab Klasse 9 und zur vormilitärischen Ausbildung, die Frage der Verpflichtung zum längeren Militärdienst, wenn man Zugang zum Abitur und zum Studium bekommen wollte, oder die Entscheidung zwischen den Alternativen Wehrdienst, Bausoldatendienst ohne Waffe oder Totalverweigerung. Oftmals sind die Mitglieder von Freikirchen von Benachteiligungen betroffen gewesen, weil sie aus Gewissensgründen die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen oder die Mitgliedschaft in bestimmten Organisationen ablehnten. Das hohe Maß an Identifikation mit den Glaubensinhalten führte prozentual gesehen häufiger zu Konflikten. Das Brechen des landeskirchlichen Widerstands durch staatliche Repressionen ging mit einer Austrittswelle einher, während die Mitgliederzahlen der Freikirchen beständiger waren.
Quellennachweis
- Hubert Kirchner (Hrsg.), Freikirchen und konfessionelle Minderheitskirchen. Ein Handbuch, Berlin 1987.