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Staat und Gesellschaft
Einführung
„Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.“ Mit diesem Wortlaut legitimierte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in Art. 1 der DDR-Verfassung ihren Anspruch auf die führende Rolle und somit ihre Diktatur im ostdeutschen Teilstaat. Diese sozialistische Verfassung wurde 1968 verabschiedet und 1974 überarbeitet und festigte das bereits in der Verfassungswirklichkeit bestehende Machtmonopol der SED. Auch galt die DDR-Gesellschaft nach marxistisch-leninistischer Doktrin weiterhin als Klassengesellschaft, wenn auch nicht als eine aus Unterdrückern und Unterdrückten bestehende, sondern aus formal gleichberechtigten Arbeitern und Bauern.
Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus: Arbeiter und Bauern hatten im Staat keine Macht. Diese lag vielmehr ausschließlich bei der SED sowie den führenden Kräften ihrer Nebenorganisationen. Diesen Massenorganisationen gehörte fast jeder DDR-Bürger an, oftmals in parallelen Mitgliedschaften: bereits als Kind bei den Jung- und Thälmannpionieren, als Jugendlicher in der Freien Deutschen Jugend (FDJ), während des Arbeitslebens im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) oder in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF). Daneben gab es die sog. Blockparteien. Sie ermöglichten es, den demokratischen Anschein zu wahren und zugleich bestimmte Gruppen der Gesellschaft besser ins System einzubinden, z. B. Christen in der Christlich-Demokratischen Union (CDUD) oder Bauern in der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD).
Abb.: Der letzte Fackelzug der FDJ am Vorabend des 40. Gründungstages der DDR (1989, ©Robert-Havemann-Gesellschaft/Nikolaus Becker/RHG_Fo_NiBe_011_08-09)
Jede Bürgerin und jeden Bürger der DDR wollte die SED für das System gewinnen – der Gedanke des Kollektivs stand im Mittelpunkt der Gesellschaft, das Individuum spielte keine Rolle. Kinder und Jugendliche wurden im sozialistischen Sinne erzogen, das Bildungssystem war dementsprechend ausgerichtet. Freie Medien gab es nicht. Eine Wahl im demokratischen Sinne war ohnehin nicht möglich: Die SED, die Massenorganisationen sowie die Blockparteien bildeten die „Nationale Front“, die bei allen Wahlen stets mit einer Einheitsliste antrat.
Jegliche Opposition gegen das SED-Regime war verboten. Selbst die Bildung von „Plattformen“ innerhalb der herrschenden Partei führte zu massiven Verfolgungen durch die Sicherheitsapparate: Mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) schuf die SED ein Machtinstrument nach dem Vorbild der Tscheka (der politischen Geheimpolizei aus der Frühzeit der Sowjetunion), das als „Schild und Schwert der Partei“ diente und die ganze Gesellschaft mit einem Spitzelsystem durchzog. Geriet jemand einmal ins Visier der Staatssicherheit oder fiel er innerhalb der Partei in Ungnade, sorgte die Justiz für eine Verurteilung im Sinne der Machthaber. Nicht selten wurden deren Urteile durch Intervention der Parteioberen sogar noch verschärft. Rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Gerichte oder Anwälte galten in der DDR ebenso wenig wie die Grundrechte – auch wenn sie formell in der Verfassung standen.
Allgegenwärtig war in der DDR-Gesellschaft der Militarismus. Zur Absicherung der SED-Macht nach außen und innen wurde in den 1950er Jahren die Nationale Volksarmee (NVA) aufgebaut, deren „Dienst für den Frieden“ bereits Kinderlieder glorifizierten. Außer in der NVA konnte die Wehrpflicht auch bei den kasernierten Einheiten des Ministeriums des Inneren oder der Volkspolizei, beim Wachregiment des MfS „Feliks E. Dzierzynski“ oder bei den Grenztruppen abgeleistet werden. Letztere bewachten vorwiegend die deutsch-deutsche Grenze und sollten Ausreisewillige an der „Republikflucht“ hindern, auch mit Waffengewalt.
Einen zivilen Ersatzdienst im eigentlichen Sinne gab es nicht, sondern lediglich die Möglichkeit, als sog. Bausoldat einen Militärdienst ohne Waffe zu leisten. Doch bedeutete dies Nachteile für die spätere Karriere: Beispielsweise konnte es dazu führen, dass man keinen Studienplatz bekam. Die militärische Prägung der gesamten Gesellschaft zeigte sich im Übrigen nicht nur in der Wehrpflicht. Außer den regulären Streitkräften gab es auch paramilitärische Einheiten wie die sog. Kampfgruppen sowie die Zivilverteidigung, die ebenfalls als Teil der Landesverteidigung galt. Ferner begann die militärische Erziehung bereits in den Schulen: Hier sind insbesondere der Wehrkundeunterricht mit dem „Wehrlager“ in den 9. Klassen sowie die Aktivitäten der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) in den 11. Klassen zu nennen.
Der Anspruch, umfassend alle Facetten zu beleuchten, besteht nicht. Wir wollen vielmehr zur Auseinandersetzung mit der Thematik anregen, die Materialien in den Schulbüchern ergänzen sowie den Interessierten einen schnellen Zugriff auf die wichtigsten Themenfelder ermöglichen.