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Mehr Partizipation, mehr Zufriedenheit
Dr. Kathrin Voss, selbstständige Beraterin im Non-Profit-Bereich, versteht mehr direkte Teilhabe vor allem als Chance für die demokratische Weiterentwicklung der EU. Welche Chancen E-Partizipation ihrer Meinung nach birgt, erklärt sie in ihrem Debattenbeitrag.
Umfragen zeigen es – die Menschen schätzen die europäische Idee, aber die Europäische Union ist für viele ein zu bürokratisches und zu wenig demokratisches Gebilde. 2013 sagten in einer Umfrage nur noch 29 Prozent der befragten Deutschen, dass sie Vertrauen in die Europäische Union haben. Die Diagnose, dass die EU sich immer weiter vom Bürger entfernt, ist nicht neu, aber das kontinuierlich sinkende Vertrauen ist eine Gefahr für die Zukunft. In keinem anderen Bereich fühlen sich die Bürger so ohnmächtig den politischen Entscheidungen ausgeliefert wie in der Europapolitik.
Mehr Beteiligungsangebote erzeugen höhere Zufriedenheit
Doch ist Bürgerbeteiligung die Lösung? Die Gegner direkter Beteiligungsmöglichkeiten weisen gerne darauf hin, dass schon die vorhandenen Möglichkeiten kaum genutzt werden. Die Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament lag zuletzt unter 50 Prozent. Meines Erachtens ist das aber kein Argument. Studien zeigen, dass sich die Bürger mehr Partizipationsmöglichkeiten wünschen, selbst wenn sie diese dann nicht immer alle nutzen. Eine Studie aus der Schweiz – immerhin ein Land mit einer sehr langen Tradition direkter Demokratie – zeigt, dass alleine die Möglichkeit, an mehr Beteiligungsformen teilnehmen zu können, für mehr Zufriedenheit in der Bevölkerung sorgt – ganz unabhängig von der Nutzung.
Beispiel: Petition gegen Privatisierung der Wasserversorgung
Es kann also bei der Einführung von Partizipationsmöglichkeiten außerhalb von Wahlen nicht um den Anspruch gehen, dass sich immer alle daran beteiligen. Vielmehr muss die EU Möglichkeiten der Intervention und der Initiative ermöglichen, damit die Bevölkerung wichtige Anliegen auch außerhalb von Wahlen einbringen kann. Die europaweite Petition gegen die Privatisierung der Wasserversorgung ist ein gutes Beispiel. Innerhalb kurzer Zeit wurden über 1,8 Millionen Unterschriften von Bürgern in sieben EU-Mitgliedsstaaten gesammelt, womit die für eine Befassung notwendige Zahl von einer Million Unterschriften weit überschritten wurde. Doch die Petition offenbart auch den Mangel dieser Beteiligungsform. Das europäische Petitionsrecht sieht lediglich eine Befassungspflicht vor. Ein politischer Einfluss ist nicht garantiert, vollkommen unabhängig davon, wie viele Bürger eine Initiative unterstützen.
Wähler wollen ernst genommen werden
Darin liegt letztendlich die Crux der politischen Beteiligung insgesamt. Menschen beteiligen sich nur dann am politischen Prozess durch Wahlen, Petitionen etc., wenn sie ernst genommen werden und etwas bewirken können. Es muss sich um eine wirkliche Bürgerbeteiligung handeln und nicht nur um eine Pseudopartizipation.
Ist Online-Partizipation die Lösung?
Bürgerbeteiligung ist aber natürlich auch kein Wundermittel. Es gibt nicht die eine Beteiligungsform, die alle Probleme löst. Eine Reform des Petitionswesens wäre ein erster Schritt, aber auch öffentliche Konsultationsverfahren sind ein Weg, Menschen in politische Prozesse einzubinden. Durch das Internet ist es möglich, solche Verfahren für die Bürger einfach zugänglich zu machen und so die Hürden für eine Beteiligung zu senken. Aber auch Online-Verfahren werden keine Wunder bewirken. E-Partizipation befindet sich in einer Art permanentem Beta-Stadium. Daher gilt es Verfahren auszuprobieren, sie zu evaluieren und aufgrund der gemachten Erfahrungen weiterzuentwickeln. Dabei sollte die EU aus den Erfahrungen lernen, die bereits in den einzelnen EU-Staaten gemacht worden sind. Auch ein Blick auf andere Länder ist empfehlenswert. So verfügt Brasilien nicht nur über ein interessantes Verfahren zur Volksgesetzgebung sondern auch über andere – vielfach online-basierte – Beteiligungsverfahren.
Fazit
Mehr direkte Teilhabe ist eine Chance für die demokratische Weiterentwicklung der EU. Sie zu nutzen, fordert von Politik und Bevölkerung Engagement und den Mut, Neues auszuprobieren und aus den Erfahrungen zu lernen.
Autorin: Dr. Kathrin Voss ist selbstständige Beraterin, spezialisiert auf den Non-Profit-Bereich. Sie berät vor allem NGOs, Verbände und Behörden bei ihren Online- und Kommunikationsaktivitäten und evaluiert Organisationen und deren Öffentlichkeitsarbeit.