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EU-Jugendgarantie: Ein unvollendetes Versprechen

Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die sich insbesondere in den südlichen Ländern nach der Wirtschafts- und Finanzkrise aufgebaut hat, haben die europäischen Institutionen, Rat, Kommission und Parlament, 2012/2013 ein Maßnahmenpaket vorangetrieben: Eine Beschäftigungsgarantie sollte jedem Arbeitslosen, der jünger als 25 Jahre ist, garantieren, dass ihm nach spätestens vier Monaten Arbeitslosigkeit folgendes angeboten wird:

  • eine hochwertige Arbeitsstelle,
  • eine weiterführende Ausbildung oder
  • eine hochwertige Ausbildungsstelle.
 

Dazu hatte die Europäische Union insgesamt acht Milliarden Euro zusätzlich bis 2020 für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt.

Heute, vier Jahre nach der Einführung, wollen wir eine erste Bilanz ziehen. Für die Kommission ist der Fall klar: Die Jugendgarantie habe „dazu beigetragen, das Leben von Millionen junger Europäer zu verbessern". Die EU spricht davon, dass 14 Millionen Jugendliche von den Maßnahmen profitiert haben. Bei näherer Betrachtung haben 9 Millionen von ihnen tatsächlich auch ein Angebot erhalten, von denen wiederum nur zwei Drittel das Angebot annehmbar fanden. Unter dem Strich haben dann 1,4 Millionen Jugendliche eine „direkte Unterstützung" der EU bekommen. Das Delta bleibt unklar, es steht aber zu vermuten, dass die übrigen 4,6 Mio. aus bestehenden mitgliedstaatlichen Programmen gefördert wurden.

Während die EU den Erfolg des Maßnahmenpaketes hervorhebt, bleiben andere Stellen skeptisch. So kritisiert unter anderem. der Europäische Rechnungshof, dass es weder einheitliche Zieldefinitionen gäbe - was ist ein qualitativ hochwertiger Arbeitsplatz? - noch gäbe es eine Kostentransparenz darüber, was tatsächlich zu den zusätzlichen Maßnahmen zu zählen ist. Welche Maßnahmen wären ohnehin von den Mitgliedsstaaten angeboten worden? Der Verbindlichkeit des Begriffs „Garantie" ist zudem nicht weiter erläutert worden und mit den Grundzügen einer (auch) Sozialen Marktwirtschaft kaum vereinbar.

Daten: Eurostat 2017, eigene Darstellung

Selbstredend verbucht die EU den leichten Rückgang der Arbeitslosenquote seit 2013 als Erfolg der Jugendgarantie. Doch der genauere Blick auf die Arbeitslosenquote verfängt nicht. Denn die Jugendarbeitslosigkeit verbleibt auf sehr hohem Niveau. Von den Beschäftigungschancen, die Jugendliche in Europa noch vor der Krise vorfanden, sind wir weit entfernt. Insbesondere in Griechenland, Spanien und Italien sind weiterhin über 40 Prozent der jungen Menschen ohne Jobperspektive. Wer Garantien verspricht, kann sich angesichts solcher Zahlen nicht zufrieden zeigen. Und die Enttäuschung der Betroffenen könnte größer kaum sein.

Um solche Enttäuschungen künftig zu verhindern, sollte die EU nachbessern. Man sollte nach wirksameren Maßnahmen suchen, auch damit die Jugendlichen Europas weiter auf die Europäische Idee vertrauen können:

  1. Die Erasmus-Programme sind ein solches positives Beispiel. Sie könnten gestärkt und auf nicht-akademische Bereiche ausgeweitet werden.
  2. Deutschland hat mit dem MobiPro-Programm (Sprachkurs im Heimatland als Grundlage von Ausbildungsangeboten in einem anderen Land) sehr gute Erfahrungen gemacht: Warum kann ein solches Programm nicht auf die europäische Ebene übertragen werden? Dadurch könnte die EU jedem Jugendlichen Sprach- und Integrationskurse finanzieren, wenn er daran eine Berufsausbildung im europäischen Ausland anschließt.
  3. Ein gefördertes soziales Jahr in Europa nach dem Vorbild des Bundesfreiwilligendienst wäre ein ähnlicher Ansatz.
  4. Vorbild Goethe-Institute: Warum organisiert und finanziert die EU nicht generell das Erlernen einer zusätzlichen europäischen Fremdsprache für jeden Europäer?

 

Generell gilt, dass die Arbeitskräftemobilität in Europa noch kaum ausgeprägt ist. Die Idee der europäischen Arbeitslosenversicherung wurde bisher nicht zu Ende gedacht. Warum entstehen in Deutschland Fachkräftelücken, während Jugendliche im Süden Europas ohne Perspektive sind? Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bleibt ein unvollendetes Versprechen. Nun hat man mit der Jugendgarantie ein ähnlich unvollendetes Versprechen hinzugefügt. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit (einer der Grundpfeiler des Binnenmarktes) sollte nicht nur ein verbrieftes Recht der Europäer sein, sondern gelebte Wirklichkeit. Ungedeckte Garantien verfangen jedenfalls nicht.

 

Autor: Thomas Köster ist Koordinator für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im Team Wirtschaftspolitik der Hauptabteilung Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung.
 
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