Aushandlungsprozesse und Deeper Learning
Deeper Learning fördert kritisches Denken, Problemlösung, Zusammenarbeit und selbstständiges Lernen. Anwendungen, Methoden und Praxishinweise für Lehrkräfte, Deeper Learning im Unterricht zu verankern.

Demokratie wahrnehmen und wertschätzen
Aushandlungsprozesse und Deeper Learning
Umsetzung von Deeper Learning im Unterricht und Schulalltag
Deeper Learning fördert kritisches Denken, Problemlösung, Zusammenarbeit und selbstständiges Lernen. Hier sind drei konkrete Anwendungen für Lehrkräfte welche helfen, die Methoden von Deeper Learning nachhaltig im Unterricht zu verankern.
1. Projektbasiertes Lernen (PBL)
Anwendung
Lehrkräfte gestalten längere, forschungsbasierte Projekte, in denen Schüler reale Probleme lösen. Ein Beispiel ist ein interdisziplinäres Projekt zur nachhaltigen Stadtentwicklung, bei dem Schüler Pläne entwerfen und präsentieren.
Materialien
Webseite: Buck Institute for Education
Werkzeuge: Pinnwände oder digital mit Padlet, Kollaborations-Tools wie Miro oder Trello
2. Kollaboratives Lernen durch digitale Tools
Anwendung
Schüler arbeiten gemeinsam an Aufgaben und reflektieren ihr Lernen, z. B. durch Diskussionen oder Peer-Reviews. In einem Geschichtsunterricht könnten Schüler eine interaktive Zeitleiste erstellen.
Materialien
Tools: großformatiges Papier(rollen), Tape, Google Classroom, Microsoft Teams
Plattformen: Edmodo, Moodle
Artikel: „Digitales kollaboratives Lernen“ (Lehrer-Online)
3. Problembasiertes Lernen mit realen Herausforderungen
Anwendung
Schüler beschäftigen sich mit komplexen, offenen Fragestellungen, z. B. zur Klimakrise. In Gruppen analysieren sie Daten, erstellen Berichte und präsentieren Lösungen.
Materialien
Datenbanken: World Bank Open Data, Statista
MOOC-Kurse: Coursera oder Khan Academy für ergänzende Inhalte
Tool für Datenanalyse: Microsoft Excel, Google Sheets
Methoden und Praxishinweise für Deepter Learning und Aushandlungsprozesse
Fünf Methoden und fünf Praxishinweise für Deeper Learning mit Fokus auf Aushandlungsprozesse. Diese Methoden und Hinweise ermöglichen ein vertieftes Lernen durch aktive Auseinandersetzung und gemeinsames Aushandeln von Lösungen.
Fünf Beispiele für einen methodischen Ansatz
1. Debattensimulation (Structured Academic Controversy)
Schülerinnen und Schüler übernehmen unterschiedliche Positionen zu einem kontroversen Thema und müssen Argumente austauschen.
Ziel: Entwicklung von kritischem Denken und Perspektivenübernahme.
2. Kooperative Problemlösung (Problem-Based Learning, PBL)
Lernende arbeiten gemeinsam an einem realitätsnahen Problem und müssen durch Aushandlung eine Lösung finden. Ziel: Förderung von Teamarbeit, Analysefähigkeit und Entscheidungsfindung.
3. Dilemma-Diskussionen (Moralische Dilemmata nach Kohlberg)
Schülerinnen und Schüler analysieren ethische Dilemmata und diskutieren mögliche Lösungswege.
Ziel: Reflexion über Werte, Normen und Entscheidungsprozesse.
4. Fishbowl-Diskussion
Eine kleine Gruppe diskutiert ein Thema in der Mitte, während der Rest der Klasse beobachtet und später reflektiert.
Ziel: Verbesserung der Gesprächsführung und Diskussionskultur.
5. Rollenspiele und Simulationen
Lernende schlüpfen in verschiedene Rollen, um komplexe Verhandlungen und Aushandlungsprozesse realitätsnah zu üben.
Ziel: Förderung von Empathie und Kommunikationsfähigkeiten.
Fünf Praxishinweise für die Umsetzung
1. Klare Regeln und Rollen definieren
Damit Aushandlungsprozesse konstruktiv verlaufen, sollten klare Rollen und Gesprächsregeln eingeführt werden.
2. Reflexion und Feedback einbauen
Nach jeder Verhandlung oder Diskussion sollten Lernende ihre Erfahrungen reflektieren und gezieltes Feedback erhalten.
3. Authentische und lebensnahe Szenarien wählen
Aushandlungssituationen sollten realitätsnah sein, damit Schülerinnen und Schüler den Transfer in den Alltag schaffen.
4. Vielfalt der Perspektiven betonen
Unterschiedliche Standpunkte sollen bewusst eingebracht werden, um eine multiperspektivische Sichtweise zu fördern.
5. Moderation durch Lehrkräfte oder Peers ermöglichen
Eine begleitende Moderation hilft, dass Gespräche zielführend bleiben und alle Beteiligten sich beteiligen können.
Begleitende Literatur- und Quellenhinweise Beigel, J.; Klopsch, B.; Sliwka, A.: Deeper Learning gestalten - Ein Workbook für Lehrkräfte. Beltz, Julius, GmbH & Co. KG (2023) Link Klopsch, B.; Sliwka, A.: Learning in der Schule - Pädagogik des digitalen Zeitalters. Verlagsgruppe Beltz Julius Beltz GmbH & Co. KG (2022) Link Prof. Dr. Sliwka, A.: Was ist Deeper Learning? Deeper Learning als Prozess von Instruktion und Aneignung, Ko-Konstruktion und Ko-Kreation und Authentischer Leistungserbringung. Institut für Bildungswissenschaft Universität Heidelberg.
Webseiten:
-> Jugend debattiert ist ein bundesweites Programm zur Förderung der Debattenkultur an Schulen.
-> Planspiele zur Klimapolitik sind didaktische Methoden, die es Teilnehmenden ermöglichen, die Komplexität internationaler Klimaverhandlungen praxisnah zu erleben.
Projektbeispiel: Nonverbale Diskussion
Nonverbale Diskussion: Einführung und Unterrichtspraxis
Einführung
Eine nonverbale Diskussion ist eine Form der Kommunikation, bei der Informationen, Meinungen oder Argumente ohne gesprochene Sprache ausgetauscht werden. Sie basiert auf Gestik, Mimik, Körpersprache oder schriftlichen Elementen wie Zeichnungen, Symbolen oder Textkarten. Diese Methode fördert aktives Zuhören, kritisches Denken und ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern eine gleichberechtigte Teilnahme.
Unterrichtspraxis
1. Silent Discussion (Stille Diskussion)
- Schülerinnen und Schüler schreiben ihre Gedanken auf ein großes Plakat.
- Sie reagieren schriftlich auf die Beiträge anderer, indem sie Kommentare oder Fragen hinzufügen.
- Fördert Reflexion und ermöglicht leisen Schülern eine aktive Beteiligung.
2. Think-Pair-Share mit Symbolen
- Statt verbal zu diskutieren, drücken Schüler ihre Meinungen durch Zeichnungen, Farbkarten oder Darstellung (Pantomime, Szene, Standbild) aus.
- In Partnerarbeit interpretieren sie gegenseitig ihre Symbole und Darstellungen und tauschen schriftlich Ideen aus.
3. Galeriegang mit stiller Reflexion
- Mehrere Plakate mit Fragestellungen oder Aussagen sind im Raum verteilt.
- Schülerinnen und Schüler bewegen sich leise durch den Raum, schreiben Gedanken oder Symbole auf die Plakate.
- Nach einer gewissen Zeit werden die Plakate gemeinsam ausgewertet.
Diese Methoden sind besonders hilfreich in inklusiven Klassen, bei sprachlich heterogenen Gruppen oder zur Förderung von kritischem Denken ohne den Druck der spontanen mündlichen Äußerung.
Übung: Aushandlungsprozesse im Unterricht
Diskussion und Argumentation - Bewusst kommunizieren
Intervention 90 min
Lernziel
- Die Schülerinnen und Schüler sollen ein Verständnis dafür entwickeln, wie Diskussionen sowohl emotional als auch rational wirken und welche Auswirkungen beide Ebenen auf die Überzeugungskraft haben.
- Sie lernen, nonverbale Ausdrucksmittel zur Darstellung von Argumenten gezielt einzusetzen.
- Sie reflektieren, wie ihre Darstellung auf andere wirkt und wie Argumentationen effektiv und sachlich bleiben können.
1. Hook: Audio-Impuls
Impuls beim Betreten des Klassenraums: Beim Betreten des Raums hören die Schülerinnen und Schüler eine Audiodatei, die an die Audioinstallation von Joseph Beuys "Ja, ja, ja... ne, ne, ne" angelehnt ist. Diese Klangkulisse erzeugt Dissonanz und weckt Neugier. Joseph Beuys wollte mit dieser Installation die Grenzen der Sprache aufzeigen und die Ambivalenz von Zustimmung und Ablehnung verdeutlichen. Die ständige Wiederholung und der Wechsel der Worte „ja“ und „nein“ sollen den Zuhörer anregen, über die Mehrdeutigkeit von Sprache, die Subjektivität des Verstehens und die Art der nonverbalen Ausdrucksformen nachzudenken.
2. Warm-up: Spiegelbild
Aufteilung der Klasse: Der Raum wird mit Kreppband durch eine Linie in zwei Hälften geteilt und die Schülerinnen und Schüler werden in Tandems aufgeteilt, die sich entlang dieser Linie gegenüberstehen.
Übung: Jede Gruppe spielt "Spiegelbild", wobei eine Schülerinn oder ein Schüler Bewegungen oder Gesichtsausdrücke vorgibt und der/die andere diese nachahmt. Die Linie im Raum dient dabei als Spiegelkante. Das Ziel ist, Teamarbeit zu fördern, Bewegungen vorherzusehen und die Mimik und Gestik des Gegenübers präzise zu spiegeln.
Dauer: Zwei Durchläufe à 3 Minuten pro Partner
3. Erarbeitung: Argumente nonverbal darstellen
Thema: "Warum sollten sich Schüler:innen für oder gegen eure Schule entscheiden?"
Hinweis: Auch andere Themen sind möglich. Das Schulthema ist jedoch besonders geeignet, da es die Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler anspricht und direkt dazu anregt, über Probleme und Herausforderungen nachzudenken sowie gemeinsam Lösungen zu finden.
Vorbereitung
- Die Schülerinnen und Schüler werden in zwei Gruppen aufgeteilt: Pro und Kontra.
- Innerhalb der Gruppen werden Argumente gesammelt: Die Pro-Gruppe formuliert Argumente für die Schule, während die Kontra-Gruppe Argumente gegen die Schule entwickelt. Diese Argumente sollen später durch performative Bilder, Posen oder pantomimische Szenen ausschließlich mit dem Körper ausgedrückt werden.
- Innerhalb jeder Gruppe bilden sich 2-3er Teams, die die nonverbale Darstellung eines Arguments übernehmen. Insgesamt sollten 5-6 Argumente pro Gruppe erarbeitet werden.
Anweisung an die Schülerinnen und Schüler
- Überlegt euch zunächst Argumente für eure Position (Pro oder Kontra) und notiert diese.
- Teilt euch in kleinere Teams auf, um je ein Argument auszuwählen.
- Überlegt gemeinsam in eurem Team, wie ihr euer Argument nonverbal durch eine Pose, ein Standbild oder eine kurze pantomimische Szene darstellen könnt.
- Übt eure Darstellung so lange, bis ihr sicher seid, dass die Pose oder Darstellung die Aussage klar vermittelt.
4. Nonverbale Diskussionsperformance
- Die beiden Gruppen stehen sich entlang der Linie gegenüber.
- Eine Gruppe beginnt mit einer Argumentationspose, während die andere Gruppe das dargestellte Argument beobachten und interpretieren muss. Danach entscheidet die beobachtende Gruppe, welches Gegenargument am besten passt, und stellt dieses nonverbal dar. Die Darstellung des Gegenarguments sollte eindeutig auf das gezeigte Argument reagieren.
- Danach darf die Gruppe, die gerade das Gegenargument dargestellt hat, ein weiteres Argument darstellen, und die Gegenpartei reagiert entsprechend. Somit müssen beide Gruppen Argumente erkennen und analysieren.
- Diese Abfolge wird beibehalten, bis alle Argumente von beiden Gruppen dargestellt wurden.
Hinweis: Die Argumente werden nicht sofort aufgelöst, sondern erst, wenn alle Argumente sichtbar und gegenübergestellt sind. So wird sichergestellt, dass alle die vollständige Diskussion nachvollziehen kann.
5. Anwendung und Vertiefung
Reflexion des nonverbalen Dialogs
- Die gesamte Klasse reflektiert gemeinsam den Verlauf der nonverbalen Diskussion. Dazu können die Argumente als Stichpunkte jetzt auf Din A4 Zettel aufgeschrieben werden. Die Bedeutung der dargestellten Argumente wird aufgelöst.
- Reflexionsfragen: War die Diskussion verständlich? Haben die Argumente Sinn ergeben? Wo lagen Schwierigkeiten? Welche Argumente waren besonders überzeugend? Wie habt ihr die Posen des Gegenübers interpretiert? Gab es Momente, in denen Missverständnisse auftraten?
- Erweiterte Frage: Wie hat es sich angefühlt, ohne Worte zu kommunizieren? War es schwieriger oder leichter als erwartet?
Verbesserungsvorschläge
- Die Klasse überlegt gemeinsam, wie die nonverbale Diskussion klarer und präziser dargestellt werden könnte, um Missverständnisse zu vermeiden. Eventuell kann die Performance noch einmal wiederholt werden, um Verbesserungen umzusetzen und die Argumente noch deutlicher herauszuarbeiten.
6. Reflexion und Feedback
Austausch in der Klasse
- Die Schülerinnen und Schüler geben sich gegenseitig konstruktives Feedback.
- Diskussion über die Herausforderungen der nonverbalen Kommunikation und wie diese Erfahrungen auf verbale Diskussionen übertragen werden könnten.
- Welche Elemente der nonverbalen Kommunikation könnten auch in verbalen Diskussionen nützlich sein?
- Wie kann die Klarheit von Kommunikation insgesamt verbessert werden?
Dieser Ansatz fördert nicht nur die Fähigkeit zur Argumentation, sondern sensibilisiert die Schüler:innen auch für die Wirkung von Körpersprache und nonverbalen Ausdrucksformen, was essenziell für die kompetente und einfühlsame Teilnahme an Diskussionen und Debatten ist.
Timeboxing
- Hook - bis alle Schüler:innen den Klassenraum betreten haben
- Warm up 5 min
- Erarbeitung 40 min
- Nonverbale Diskussionsperformance 15 min
- Anwendung/Vertiefung 15 min
- Reflexion und Feedback 15 min
Die Metapher von Fliege und Biene - Perspektivwechsel
Reflexion: Fliege und Biene
Jetzt bist du an der Reihe!
Metapher von Fliege und Biene: Partizipationsmöglichkeiten und demokratische Strukturen reflektieren
Mit der Metapher von Fliege und Biene betrachtest du die Partizipationsmöglichkeiten und demokratischen Strukturen an deiner Schule aus zwei Perspektiven: kritisch und ressourcenorientiert. Dadurch kannst du Herausforderungen erkennen und gezielt überlegen, wie bestehende Stärken genutzt werden können, um demokratische Prozesse zu fördern.
Ablauf
1. Vorbereitung (5 Minuten)
Suche dir einen ruhigen Ort und stelle sicher, dass du ungestört bist. Lege folgende Materialien bereit:
- Zwei Blätter Papier oder Notizbuchseiten (eins für die Fliege, eins für die Biene)
- Einen Stift
- Optional: Farbige Karten (z. B. rot für Herausforderungen, gelb für Stärken) oder eine digitale Notiz-App
2. Reflexion im Fliegenmodus: Herausforderungen identifizieren (5 Minuten)
- Schreibe "Fliegenmodus" oben auf eines der Blätter.
- Reflektiere die demokratischen Strukturen und Partizipationsmöglichkeiten an deiner Schule:
- Wo gibt es Hindernisse für Partizipation?
- Welche Strukturen oder Prozesse erschweren demokratische Mitbestimmung?
- Wo scheitern Mitbestimmungsprozesse oder laufen nicht zufriedenstellend?
- Notiere deine Gedanken in Stichpunkten oder kurzen Sätzen.
- Lass dir Zeit, um alle kritischen Punkte festzuhalten.
3. Reflexion im Bienenmodus: Stärken und Potenziale erkennen (5 Minuten)
- Nimm das zweite Blatt und schreibe "Bienenmodus" oben darauf.
- Richte deinen Fokus bewusst auf positive Aspekte:
- Wo gelingt Partizipation an deiner Schule besonders gut?
- Welche Strukturen oder Prozesse fördern Mitbestimmung und Demokratie?
- Welche Beispiele zeigen, dass demokratische Strukturen funktionieren?
- Notiere auch diese Punkte in Stichpunkten oder kurzen Sätzen.
- Erkenne bewusst die Stärken und Potenziale deiner Schule.
4. Gegenüberstellung und Analyse (5 Minuten)
- Lege beide Blätter nebeneinander und vergleiche die Punkte aus dem Fliegen- und Bienenmodus:
- Gibt es Herausforderungen, die durch bestehende Stärken ausgeglichen werden könnten?
- Wo lassen sich bereits vorhandene Ressourcen nutzen, um Probleme zu lösen?
- Welche Punkte fallen dir besonders auf?
5. Handlungsideen entwickeln (5 Minuten)
- Überlege dir konkrete nächste Schritte:
- Welche kleinen Veränderungen kannst du selbst anstoßen, um Partizipation und Demokratie zu fördern?
- Wo könntest du mit Kolleginnen, Schülerinnen oder der Schulleitung ins Gespräch gehen, um positive Veränderungen anzustoßen?
- Welche bestehenden Stärken kannst du noch besser nutzen oder ausbauen?
- Formuliere drei konkrete Handlungsideen und notiere sie auf einem separaten Blatt.
6. Abschluss
Betrachte deine Ergebnisse und reflektiere, wie die Perspektiven der Fliege und der Biene dir geholfen haben, die demokratischen Strukturen an deiner Schule differenziert wahrzunehmen. Behalte beide Blickwinkel im Kopf, wenn du über weitere Schritte nachdenkst – sowohl kritische Analyse als auch ressourcenorientierte Lösungen sind wichtig, um nachhaltige und konstruktive Veränderungen anzustoßen.